7068811-1992_15_03.jpg
Digital In Arbeit

Harun ar-Raschid als Vorbild

19451960198020002020

Wie weiland Harun ar-Raschid würden sie sich unters Volk mischen. Wie dieser sein Kalifenreich, möchten sie ihr Österreich zu höchster Blüte führen. Und von ihrem Gerechtigkeitssinn soll man noch in fernen Tagen reden. Jetzt muß nur noch aus den vier Kandidaten ein Bundespräsident gewählt werden.

19451960198020002020

Wie weiland Harun ar-Raschid würden sie sich unters Volk mischen. Wie dieser sein Kalifenreich, möchten sie ihr Österreich zu höchster Blüte führen. Und von ihrem Gerechtigkeitssinn soll man noch in fernen Tagen reden. Jetzt muß nur noch aus den vier Kandidaten ein Bundespräsident gewählt werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Man will ein aktiver Bundespräsident sein, einer der umrührt, der sagt, wo es langzugehen hat, ein bisserl Uber-Bundeskanzler sozusagen. Und natürlich volksverbunden, jemand zum Angreifen, dazu mit einem ganz offenen Ohr für die Sorgen und Nöte der kleinen Leute. Eine Art Ober-Volksanwalt. Die Enge der Wiener Hofburg und das Korsett des Protokolls will man abstreifen, um den Menschen draußen möglichst nahe zu sein.

Wer sich noch an frühere Werbekampagnen erinnert, erkennt durchaus vertraute Botschaften. Und aus Erfahrung wissen wir, daß alle bisherigen Bundespräsidenten erst mit der Zeit in ihr Amt hineingewachsen sind. So nüchtern, wie die Verfassung das Amt sieht.

Es stimmt schon - und es wird in diesen Tagen auch mit Nachdruck darauf hingewiesen - daß die österreichische Bundesverfassung in ihrer Fassung von 1929 dem Bundespräsidenten weitreichende Befugnisse einräumt. Und tatsächlich sind ihm in der Verfassung gut drei Dutzend Kompetenzen zugewiesen, die ja auch vom amtierenden Staatsoberhaupt - mit einer einzigen Ausnahme, die die Vertretung der Republik nach außen betrifft - in vollem Umfang wahrgenommen worden sind.

Was dabei gerne übersehen wird: Mit Ausnahme der Ernennung des Bundeskanzlers, seiner Entlassung, sowie der Entlassung der gesamten Bundesregierung sind eigentlich seine Akte grundsätzlich an einen Vorschlag der Bundesregierung gebunden. Und er darf ja auch nicht in.der Gesetzgebung nach Belieben herumfuhrwerken, wenn ihm etwas nicht paßt, sondern er hat lediglich das verfassungsmäßige Zustandekommen eines Bundesgesetzes zu beurkunden. Stichwort: „Staatsnotar".

Der republikanische „Krisenmanager" an der Spitze des Staates wäre erst dann gefordert - und niemand hofft, daß dieser Fall überhaupt eintreten könnte -, wenn die demokratische Ordnung aus den Fugen geriete. So richtig es ist, daß die Verfassung auch dafür Vorsorge getroffen hat. so falsch ist es. das in Wahlargumente umzumünzen.

Die Kandidatensuche im Vorfeld der Nominierung hat erkennen lassen, was an eigentlichen Wunschvorstellungen vorhanden ist: eine Persönlichkeit, die nicht nur für Österreich steht, sondern dieses Land auch in der Welt repräsentieren kann; eine Integrationsfigur, die den zunehmenden Polarisierungen entgegenwirkt und über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus verbindend wirkt: jemand, zu dem man Vertrauen haben kann, weil er sich bewährt und Erfahrung gesammelt hat.

Weil sich die eine Persönlichkeit nicht herauskristallisiert hat, haben die vier im Nationalrat vertretenen Parteien daher jeweils eigene Kandidaten für die Wahl am 26. April präsentiert, streng der Reihenfolge ihrer Nominierung nach: Thomas Klestil, Rudolf Streicher, Heide Schmidt und Robert Jungk.

Demoskopen und politische Kaffeesudleser ' wollen längst wissen, wie es laufen wird. Besser* daß es gelaufen ist. Dabei besagen die Umfragen bisher im großen und ganzen nur. daß die Kandidaten nach dem Wohlwollen beurteilt werden, das die sie nominierenden Parteien gegenwärtig haben. Das heißt, daß der Stellenwert der Persönlichkeit eigentlich noch hinter Parteisympathien reiht. Und das bei einer der raren Möglichkeiten, es wirklich mit einer Persönlichkeitswahl zu tun zu haben.

Die Frau von Robert Jungk hat einmal im Radio sinngemäß gemeint, sie könne eigentlich die „Wahlkampfwelt" nicht verstehen. Klestil und Streicher habe sie beispielsweise persönlich kennengelernt - nette, feine, sympathische Menschen. nicht ausgenommen werden. Daher tut es wohl, daß der Wahlkampf - sieht man vom infamen Angriff ab. der sich zuletzt gegen Jungk gerichtet hat - anders verläuft als der 1986. Klestils CV-Mitgliedschaft. Streichers Freimauer-Zugehörigkeit und Schmidts Eheleben sind auch schon die einzigen „Fehler", die Gruppen außerhalb der Wahlbewegungen subversiv ins Spiel zu bringen versuchen.

Aber auch wenn man dem Zukunftsforscher Robert Jungk großen Respekt entgegenbringt: muß man in ihm nicht unbedingt den idealen Bundespräsidenten sehen. Vielmehr steht er für Polarisierung in zentralen politischen Bereichen, wo umgekehrt Ausgleich und Integrationsfähigkeit gefragt wären.

Heide Schmidt signalisiert ebenso wie Freda Meissner-Blau 1986 mit gutem Recht, daß das erste Amt im Staat keine Männer-Domäne sein und bleiben darf. Aber was ihr -nicht zuletzt durch ihre Blitzkarriere - fehlt, ist vielfältige Erfahrung und Bewährung.

Thomas Klestil und Rudolf Streicher kommen da den zuvor skizzierten Wunschvorstellungen schon näher, freilich von im terschiedlichen Ausgangspunkten aus. Klestil, der weltoffene und weltgewandte Diplomat, bringt sicherlich die besseren Voraussetzungen - seine Bekanntheit im Ausland miteingeschlossen -, die Republik nach außen zu vertreten. Das wird auch sicher zu den wesentlichen Herausforderungen des nächsten Bundespräsidenten gehören. Diesbezügliche Erfahrung soll Streicher nicht abgesprochen werden, aber seine Stärke ist sicherlich die politische Erfahrung, die er als Manager und „Macher" in Österreich gesammelt hat. Dadurch ist er Klestil auch in seiner Bekanntheit im Inland voraus.

Damit wird aber auch innerhalb der abstrakten Wunschvorstellungen von einem Bundespräsidenten eine Prioritätenreihung notwendig: Für welche Aufgaben soll der Nachfolger von Kurt Waldheim besonders geeignet sein? Darum - und nicht um irgendwelche Parteisympathien - sollte es am 26. April gehen. Ist . diese Antwort noch offen, bleibt auch das Rennen offen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung