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ROBERT JUNGK /WEGWEISER ZUM „SEHENDEN FORTSCHRITT“

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„Kennen Sie das letzte Buch von Robert Jungk?“, fragte während des vergangenen Sommers Albert Schweitzer einen Besucher in Cunsbach, „und die Herbstmodellf Diors? Sonst verstehen Sie die Zeit nicht!“ Die Frage konnte bejaht werden, der Gast kannte beides. Sehr viele Menschen kennen die Bücher von Robert Jungk. Sein erstes, „Die Zukunft hat schon begonnen“, wurde in vierzehn, das zweite, „Heller als tausend Sonnen“, bisher in elf Sprachen ubersetzt. Die Auflage geht in die hunderttausende. Also Sensationserlolg auf Bestsellerniveau? Keineswegs. Denn die Bücher Robert Jungks zählen zu den ernsthaftesten, aufrüttelndsten, unbequemsten unserer Zeit. Wohin führt uns die Technik, der „blinde Fortschritt“ ? Zu Entpersönlichung, Vermassung, Verlust der Freiheit, schließlich zur ntondialen Katastrophe des Atombombenkrieges? Oder ist Hoffnung auf Besinnung, auf Vermenschlichung der Technik, auf Domestizierung der ungeheuren Energien, die dem harten und nervenschwachen Geschlecht von heute in die Hand gegeben sind?

Zu diesen Fragen darf mit Autorität sich nur äußern, wer frei ist von antitechnischen Ressentiments und wer die Welt kennt, die große und die kleine. Robert Jungk besitzt zu seinem Beruf, den er als eine Mission betrachtet, die Voraussetzungen und Qualitäten wie wenige unserer Zeitgenossen. Da ist zunächst eine künstlerische Komponente: sein aus Böhmen stammender Vater, der seine ersten selbständigen Schritte in Prag tat, war Schauspieler und Regisseur, Dramaturg und Schriftsteller. Robert Jungk, 1913 in Berlin geboren, wurde durch die „Machtübernahme“ in seinem Studium der Geschichte unterbrochen, lebte von 1933 bis 1946 in Paris, Prag, London und Zürich, wo er mit einer Arbeit über den „Kampf der Schweiz um die Pressefreiheit“ pro-

movierte. In dieser Zeit — und seither — ist Robert Jungk als Mitarbeiter großer internationaler Blätter tätig und sammelt Material für seine Bücher. Von ihm stammt der erste maßgebliche Nachkriegsbericht über die deutsche Ostzone, der unter dem Titel „Aus einem Toten-

land“ u. a. auch im britischen Unterhaus zitiert wurde. Robert Jungk nahm als Berichterstatter an allen großen internationalen Konferenzen seit Kriegsende teil, bereiste 1947 Ungarn und Jugoslawien, war wiederholt in Amerika und im letz-

ten Frühjahr in Japan, um Studien für die Chronik des Wiederaufbaus von Hiroshima zu machen.

Obwohl Robert Jungk viel unterwegs ist und auch die geistige Beweglichkeit des Journalisten besitzt, muß man sich doch, was seine Person betrifft, von der Vorstellung des „rasenden Reporters“ völlig frei machen. Robert Jungk ist eher ein meditativer Mensch, der die absolute Ruhe seines Arbeitszimmers schätzt und braucht. Die leidenschaftslose Sachlichkeit seiner Bücher und Großreportagen ist freilich nur Oberfläche. Fr betritt die Kriegsschauplätze der modernen Technik als verantwortungsvoller Europäer. Immer geht es ih,m um die menschliche und moralische Seite der studierten Probleme und Entwicklungen. In ihm ist ein Stück Alteuropa lebendig: sein Kulturbewußtsein, seine Moralität, seine Verantwortung. C. F. von Weizsäcker bestätigte ihm: „Sie haben durch ihre vielfachen Gespräche mit den direkt beteiligten Physikern Kenntnisse und Impressionen gesammelt, die ich in solcher Fülle bei niemandem außerhalb des engeren Kreises der Physiker bisher gefunden habe. In gewissem Sinne haben Sie damit überhaupt erst das Niveau betreten, von dem aus man so etwas wie einer Geschichtsschreibung der atomaren Technik reden kann.“ Und Reinold Schneider schrieb der „Furche“: „Robert Jungk gehört zu den wenigen, die uns sagen, wo wir angekommen sind. Er beschönigt nicht, aber er urteilt auch nicht im voraus. Er bietet ein dokumentarisches Material, dem wir nicht ausweichen können ... Wir müssen mit den Tatsachen ringen, bis zum Versagen, so wie Robert Jungk sie darstellt. Nur Sachlichkeit kann in dieser Stunde zu dem Ethos aufrufen, dessen wir bedürfen.“

Wir freuen uns, Dr. Robert Jungk, der derzeit in Wien lebt, zu unteren Mitarbeitern zu zählen.

der Laune des Individuums zu überlassen; sie sind Bürgerpflichten! Nur jene Demokratie wird leben, in der solche Bürgerpflichten ernsthaft empfunden und getreulich erfüllt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß sich jeder eine politische Ueberzeugung erarbeitet. Ihr Besitz macht den Demokraten aus. Wo es keine politische Ueberzeugung gibt, dort herrscht Gesinnungslosigkeit, deren Träger Spielball jeder demagogischen Welle werden.

Noch aber ist der Gesetzgebung eine Chance offen. Das Gesetz über die Durchführung der Volksbegehren steht noch zur Verhandlung. Auch hier hat die Verfassung lediglich die Möglichkeit zur gesetzgeberischen Initiative gegeben, die Ausführung ist in einem Durchführungsgesetz zu regeln. Das Volksbegehrengesetz der Ersten Republik ist gleichfalls unbefriedigend gewesen. Jetzt ist Gelegenheit gegeben, um nicht zu sagen geboten, die Fehler des Gesetzes vom 16. Juni 1931, BGBL Nr. 181, zu korrigieren. Auch dieses Gesetz wurde niemals praktisch. Wer wird die Mühe auf sich nehmen, 200.000 Unterschriften unter einen Gesetzentwurf zu sammeln, wenn er erwarten muß, daß dieser niemals im Nationalrat ernstlich in Verhandlung gezogen wird?

Das neue Gesetz über Volksbegehren müßte Bestimmungen treffen, die die Gewähr geben, daß das Volksbegehren auch tatsächlich der parlamentarischen Behandlung zugeführt wird. Das Parlament darf allerdings nicht einfach vor die Alternative gestellt werden, es anzunehmen

oder es abzulehnen, sondern es müßte ihm die Möglichkeit eingeräumt sein, es organisch unserem Rechtsleben einzuverleiben. Das neue Gesetz müßte daher folgende Neuerungen schaffen:

a) Der Nationalrat hat dem Ausschuß, der mit dem Volksbegehren zu beschäftigen ist, eine nicht länger als sechs Monate dauernde Frist zu stellen, binnen der er dem Plenum zu berichten hat.

b) Der Nationalrat muß im Zeitraum der laufenden und der nächsten Session sei es einen positiven, sei es einen negativen Beschluß über das Volksbegehren fassen.

c) Der Nationalrat ist an den Wortlaut des Gesetzentwurfes, der dem Volksbegehren zugrunde liegt, nicht gebunden, er kann ihn abändern, ergänzen oder einschränken.

d) Faßt der Nationalrat den Beschluß, den Gesetzentwurf, den das Volksbegehren beinhaltet, abzulehnen, ist er der Volksabstimmung zu unterziehen, wenn wenigstens 55 Abgeordnete zum Nationalrat oder wenigstens ein Drittel der Mitglieder des Bundesrates oder die Mitglieder des Bundesrates dreier Länder dies verlangen.

Unter diesen Voraussetzungen kann das Volksbegehren eine wertvolle Einrichtung unserer Demokratie werden und dort, wo die Widerstände der Parteien scheinbar unüberwindliche Hindernisse aufgebaut haben, einen gangbaren Weg ins Freie bieten.

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