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Knotenpunkt der Zukunft

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HYPOTHEK AUF DIE ZUKUNFT. Enstehung der österreichischen Republik 1918—1921. Von Karl R. Stadler. Europa-Vertag:, Wien- Frankfurt-Zürich. 280 Seiten. S 185.—.

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HYPOTHEK AUF DIE ZUKUNFT. Enstehung der österreichischen Republik 1918—1921. Von Karl R. Stadler. Europa-Vertag:, Wien- Frankfurt-Zürich. 280 Seiten. S 185.—.

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Man kennt die Gründung der Republik — die Vorgeschichte und die Nach wehen — aus zahlreichen österreichischen Quellen; weil man meinte, daß es genüge, als Objekt der Weltpolitik die eigene Situation zu kennen.

Karl Stadler verwendet in seiner „Hypothek auf die Zukunft“ zahlreiche, bisher völlig unbekannte alliierte Quellen — und erhellt so die „andere“ Seite, macht die Hintergründe transparent, die die Siegermächte von 1918 zu jener historischen Uneinsichtigkeit verleitete, deren Resultat nur neue Krisen in Mitteleuropa waren.

Dieser Teil, der vor allem im Exil des Verfassers entstanden ist, hat -seinen festen Platz -in der österreichischen Geschichtsschreibung.

Dasselbe freilich kann man von jenem Kommentar nicht behaupten, der das österreichische Spektrum der Republikgründung betrifft. Stadler — heute Professor an der Sozialhochschule in Linz — macht keinen Hehl daraus, daß er die sozialdemokratischen’ Republikgründer für die absolut weitsichtigeren hält und eigentlich in der niederbrechenden Monarchie die Fehler des Friedens von Saint-Germain destilliert. Man hätte sich in dieser Beziehung mehr Gerechtigkeit erwartet. So interessant etwa die alliierten Meinungen über den Anschluß Österreichs an die deutsche Republik sind, so sehr etwa auch die Haltung eines Benes zu dieser Frage erstaunt, so leichtfertig wird diese für die Erste Republik entscheidende Frage als quasi nachsehfoares Versehen der Sozialdemokraten des Jahres 1918 gewertet.

Stadler versteht es aber ausgezeichnet, die vielfach verzwickten juridischen Probleme der Rechtsnachfolge der Monarchie, der Zusammenführung der Bundesländer, der endgültigen Grenzziehung zu klären und jenen situationsbedingten, psychologischen Hintergrund zu eröffnen, der die ersten Tage der jungen Republik begleitete.

Nach der Lektüre des Buches freilich muß man sich fragen, was die Sieger von 1918 eigentlich mit der Neugestaltung des Donauraumes wirklich wollten. Sieht man die Entwicklung aus dieser internationalen Sicht, können uns die Konzeptlosig- keit, die Fehlhaltungen, das Mißverstehen und die Gleichgültigkeit erschrecken, in der die Weltgeschichte ihre Fäden spinnt. Und in deren Netz Saint-Germain und Versailles schon die Knotenpunkte des zweiten Weltkrieges wurden.

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