Das neue rechtskonservative Milieu

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Allzu lange haben die etablierten Medien ihren links-grünen Einheitsbrei gekocht. Nun brodelt es, und die Grenze des Sagbaren wird nach rechts verschoben. Ein Biotop entsteht, welches insbesondere der Christdemokratie zu denken geben müsste. Ein Gastkommentar.

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Allzu lange haben die etablierten Medien ihren links-grünen Einheitsbrei gekocht. Nun brodelt es, und die Grenze des Sagbaren wird nach rechts verschoben. Ein Biotop entsteht, welches insbesondere der Christdemokratie zu denken geben müsste. Ein Gastkommentar.

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In einem Kommentar für die auflagenstarke Boulevardzeitung Bild am Sonntag bezeichnete der Publizist Nicolaus Fest im Juli 2014 den "Islam als Integrationshindernis". Damals sorgte der kurze Meinungsartikel von Fest für Empörung. Der liberal-konservative Springer-Verlag distanzierte sich von Fest, zu jener Zeit immerhin stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag. In seinem Kommentar bezeichnete sich der Sohn des Hitler-Biographen und verstorbenen Herausgebers der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Joachim Fest, als religionsfreundlichen Atheisten. Am Ende des kurzen Artikels kam Fest zu dem Schluss, dass der Islam - anders als Christentum, Judentum oder Buddhismus - sehr wohl ein Integrationshindernis sein könne: "Das sollte man bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigen!" Denn der Kommentator brauche keinen "importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht".

Habituell bürgerlich - scharf rechts

In der Rückschau liest sich dieser Kommentar vergleichsweise harmlos. Doch das Deutschland vom Juli 2014 war ein anderes als das Deutschland im Oktober 2016. Dieser Tage ist Nicolaus Fest, der bis dato als freier Publizist einen eigenen Blog betrieben hatte (http://nicolaus-fest. de/), dem Berliner Landesverband der "Alternative für Deutschland"(AfD) beigetreten. Heute ist es nicht mehr so einfach, Publizisten vom politischen Diskurs auszuschließen. Allein drei Redakteure der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit, für die Fest auch gelegentlich zur Feder greift, sind inzwischen als Pressesprecher zur AfD gewechselt. Das heißt, dass man mittlerweile auch in einem rechtskonservativen Milieu in Deutschland in Lohn und Brot kommen kann. Der Ausschluss aus dem immer noch mehrheitlich links-grünen Meinungskartell der Bundesrepublik kommt keiner (publizistischen) Existenzvernichtung mehr gleich. Die Junge Freiheit, mit der sich jüngst sogar der britische Economist befasste, legt ständig an Auflage zu. Während der linke Freitag 2016 "nur" auf eine verkaufte Auflage von 19.708 Exemplaren kam, waren es bei der Jungen Freiheit 28.246 (Quelle: Horizont 31/16).

Am Beispiel von Nicolaus Fest, der vor seinem Weggang von Springer zumindest öffentlich nicht unbedingt als besonders konservativer intellektueller Kopf aufgefallen war, lässt sich darlegen, wie sich die Grenze des Sagbaren in Deutschland in nur zwei Jahren verschoben hat. Fest, vom Habitus her sehr bürgerlich und früher Teil des medialen Establishments (sein Bruder Alexander war lange Zeit verlegerischer Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages), wird heute von Zeit-Online als "neuer Scharfmacher für die AfD" tituliert.

In seinem Blog nimmt Nicolaus Fest Stellung zu Fragen der Zeit. Sein Standpunkt ist der eines "freiheitlichen Individualismus"."Diese Position ist in Deutschland jedoch bedroht: Vom Kollektivismus unter dem Primat der Ökonomisierung, für den die EU, vom religiösen Kollektivismus, für den besonders der Islam steht, aber auch vom sanften Terror einer allgegenwärtigen Staatsfürsorge; und schließlich von einer weitgehend einheitlichen öffentlichen Meinung, die kaum noch abweichende Positionen kennt", so Fest.

Fest ist ein honoriger Mann. Ein gebildeter Bürger. Was jedoch zu Stirnrunzeln führen dürfte, ist eine Radikalisierung der Sprache. So bezeichnet er das deutsche Entwicklungshilfeministerium als Ministerium für die Finanzierung von Potentaten und linkslastigen NGOs. Besonders grobschlächtig und undifferenziert aber erscheint die schon fast manische Beschäftigung mit dem Islam. Fest sieht in ihm weniger eine Religion, als eine totalitäre Bewegung wie Nationalsozialismus oder Sowjetkommunismus. Bei der Pressekonferenz zu seinem Eintritt in die AfD hebelte er sogar die Religionsfreiheit in Deutschland gedanklich aus und machte sich dafür stark, die Moscheen in Deutschland nötigenfalls zu schließen.

(Auch) sprachliche Radikalisierung

Wenn Fest die AfD mit absoluter Mehrheit im Bundestag und auch im Kanzleramt sieht, wird seine Lust an der Provokation deutlich.

Gerade die Bürgerlichen und Konservativen im Land sollten die Entwicklung der letzten zwei Jahre durchaus mit Sorge betrachten. Denn ohne Zweifel ist die einst behäbig-langweilige Bundesrepublik einer - auch sprachlichen - Radikalisierung ausgesetzt. Die Grenze des Sagbaren wird nach rechts ausgedehnt. Dies geschieht nicht immer mit der nötigen Sorgfalt und Differenzierung. Viel zu lange haben etablierte Medien nur ihren links-grünen Einheitsbrei gekocht. Nun brodelt es. In der AfD und der Jungen Freiheit findet sich nun ein rechtskonservatives Milieu zusammen, das von der eigentlich bürgerlichen Kraft in Deutschland, der "Christlich Demokratischen Union", aufgrund der eigenen Sozialdemokratisierung und des starren Kurses der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel wohl vorerst nicht zurückgewonnen werden dürfte. Ein neues rechtskonservatives Milieu entsteht, das auch jungen Menschen im Bereich von Publizistik und Politik eine berufliche Perspektive bieten kann.

Der Autor ist Fraktionsgeschäftsführer der CDU in der nordrheinwestfälischen Stadt Remscheid und lebt und arbeitet als freier Publizist in Bonn

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