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öl ist ein ganz besonderer Saft

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Wer übernimmt die Rohölversorgung Österreichs? Aul diese einfache Frage läßt sich das Problem der österreichischen Erdölpolitik reduzieren. Soll die österreichische Erdölversorgung ausländischen Konzernen tiberlassen werden oder soll durch ein dynamisches Eingreifen des Staates die österreichische Mineralölverwaltung auf eine neue Basis gestellt werden?

Gegen die erstgenannte Alternative hat sich eine ziemlich geschlossene Abwehrfront gebildet. Sie reicht über einige Regierurngsmit-glieder, über den österreichischen Gewerkschaftsbund, den österreichischen Arbeiterkammertag, die größten Fachgewerkschaften, die Arbeiterkammern und Landeshauptleute einiger Bundesländer, einigen wichtigen Bünden der ÖVP, sämtlichen Funktionären des Betriebsrates bis hin zu der Mehrzahl der Vorsitände und Aufsichtsräte des ÖMV-Orchesters und den österreichisch, weltoffen denkenden Wirtschaftspublizisten.

So einfach die Frage nach der zukünftigen Rohölversorgung Österreichs scheint (die gründlichste und wohldokumentierteste Studie zu dieser Frage legte Ministerialrat Doktor Frank aus dem Handelsministerium vor), sie birgt vielschichtige Aspekte. Ordnungspolitischer, außenpolitischer, innenpolitischer, wachstumspolitischer, zahlungsbilanzpolitischer, steuerpolitischer, handelspolitischer, energiepolitischer, strukturpolitischer und unternehmungspolitischer Natur, öl ist ein ganz besonderer Saft, es ist nicht vergleichbar mit dänischer Butter oder holländischen Eiern, öl ist Energie, Bewegung, Kraft, Macht, Herrschaft. Macht und Herrschaft, so sagt der berühmteste Neoliberale, Alexander Rüstow, bedeutet Unfreiheit und Ausbeutung. Wir haben zu wählen zwischen Herrschaft oder Freiheit. Und Walter Euchen ergänzt: Private Macht ist dem Rechtsstaat nicht adäquat. Sie darf nicht Bestandteil einer marktwirtschaftlichen Ordnung sein. Die Politik des Staates sollt darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen und ihre Funktionen zu begrenzen. Das Privateigentum der Monopole muß beseitigt werden, denn nur im Rahmen der vollständigen Konkurrenz gilt der Satz, daß Privateigentum nicht nur dem Eigentümer, sondern auch dem Nichteigentümer Nutzen bringe. Fehlt der Kontrollmechanismus der vollständigen Konkurrenz, so ist „eine andere Kontrolle geboten: nämlich die staatliche Monopolkontrolle, der Kontrahierungszwang und die Festlegung der Preise und allgemeinen Geschäftsbedingungen durch ein staatliches Monopolamt“. Aus diesen wirtschaftspolitischen „Grundsätzen“ des Neoliberalen W. Euchen dürfte auch Nemschah den Vorschlag abgeleitet haben, die obligopolitische und monopolistische Marktform in der ölwartschaft durch ein staatliches Rohölbeschaffungsmonopol zu ersetzen. Der Gedanke hat zweifellos einiges für sich. Frank schlägt eine weit weniger radikale Lösung vor, die den gleichen Zweck erfüllt, nämlich Bau der Pipeline und von zwei Raffinerien durch die ÖMV sowie Einbezug des Erdöls und seiner Derivate in das bestehende Rohstofflenkungsgesetz.

Durch wohlabgewogene Staatsedn-griffe wird der Wille zur energie-und machtpolitischen Unabhängigkeit dokumentiert. Solche Dokumentation unterstreicht die Ernsthaftigkeit unseres Wunsches, unsere Unabhängigkeit auch bei Annäherung an die EWG zu wahren. Sie macht sie den Skeptikern gegenüber glaubhaft, nicht nur dem Osten, sondern vor allem auch Amerika gegenüber! Die USA wissen genau, daß der Neutralitätsstatus Österreichs, an dem sie um ihrer ganzen Ostpolitik willen stärkstens interessiert sind, nicht gehalten werden kann, wenn an den neuralgischen Stellen unserer Wirtschaft die Unabhängigkeit verloren geht. Pipelines sind die Schlagadern, öl ist das Blut der modernen Wirtschaft. Beides bedarf daher stärkster Kontrolle durch den Staat und seine Organe. Diese außenpolitischen Gesichtspunkte hat übrigens die ÖAAB-Betriebsgruppe in ihrem von der Presse erwähnten Schreiben an die ÖVP-Funktionäre und Regierungsmitglieder mit beträchtlicher Uberzeugungskraft deutlich heraus-

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