Nichts als Theaterdonner

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Die VP-FP-Koalition will das Volk zur EU und gegen die Sanktionen befragen. Ein unsinniges Spiel mit dem Feuer, das dennoch ins Haus steht.

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Die VP-FP-Koalition will das Volk zur EU und gegen die Sanktionen befragen. Ein unsinniges Spiel mit dem Feuer, das dennoch ins Haus steht.

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Sind Sie dafür, dass im Jahr 1995 in Wien eine Weltausstellung abgehalten wird?" "Sind Sie dafür, dass die Donaukraftwerke im Bereich des Hafens Freudenau ein Wasserkraftwerk errichten?" Mancher wird sich an diese Fragen erinnern, die vor neun Jahren bei der letzten Wiener Volksbefragung gestellt wurden: Man glaubt es kaum - zwei kurze, klare Fragen, auf die jeweils mit Ja oder mit Nein zu antworten war; die Wiener Weltausstellung fand bekanntlich wegen des Ausgangs dieser Volksbefragung nicht statt, das Kraftwerk Freudenau hingegen gibt es - aus demselben Grund.

In Zeiten wie diesen ist es hilfreich, jüngste Geschichte heranzuziehen, um sich zu vergewissern, wozu eine Volksbefragung dient: zur Entscheidungsfindung bei strittigen Fragen, zur Legitimation von Problemlösungen. In jedem Fall sind zwei Kriterien wesentlich: Erstens muss die Problemstellung konkret und fassbar sein. Zweitens darf der Einsatz des politischen Instruments Volksbefragung die repräsentative Demokratie nicht ersetzen: Insbesondere wenn sich die Politik vor Entscheidungen drückt und stattdessen auf Plebiszite setzt, wird sie zum Populismus.

Die geplante erste österreichweite Volksbefragung, hinter welcher die VP-FP-Regierung - je nach Couleur: halbherzig oder aus voller Überzeugung - steht, erfüllt keines der obigen Kriterien. Als gelernter Österreicher weiß man jedoch, dass dies noch lange kein Grund ist, das Unternehmen abzublasen. Auch die vernichtende Fachkritik im Inland und die ebenso negativen politischen Bewertungen im In- und Ausland nützen wenig, wenn anstatt rationaler Vorgangsweise die Handlungsmuster typisch österreichischer Politik Platz greifen.

Kalter Krieg II?

In der Tat - unabhängig jedweder Beurteilung des derzeitigen Verhältnisses zwischen den EU-14 und Österreich - spricht so ziemlich alles gegen diese Volksbefragung: * Stimmen aus den Regierungsparteien führen eine Drohwirkung der Volksbefragung ins Treffen. (Ein farbiges Beispiel hierfür lieferte die EU-Abgeordnete Ursula Stenzel, die - laut Austria Presse Agentur - meinte, wie in Zeiten des Kalten Krieges (!) gebe es auch hier "verschiedene Eskalationsstufen". Eine Volksbefragung wäre "die letzte Eskalationsstufe".) Dass eine Volksbefragung - erst recht eine mit Fragen wie die angekündigte - eine Drohgebärde sein könnte, ist von der Sache wie von der Strategie her absurd.

* Auch dass das Referendum zur Entscheidungsfindung beiträgt, scheint ausgeschlossen, denn was wird entschieden? Die Österreicher sollen sechs allgemeine, unkonkrete, noch dazu gegensätzlich interpretierbare Fragen beantworten, die überdies so angelegt sind, dass die Antwort nur Ja lauten kann. (Wenn man mit Nein stimmt, so hieße das etwa in Bezug auf Teil 4 des derzeitigen Textes*), die Bundesregierung solle dann nicht mit allen Mitteln sicherstellen, dass die EU "die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte" einhält .)

* Schließlich wird auch argumentiert, ein klares Ergebnis im Sinne der Regierung würde diese im Ausland stärken - "Volksbegehren" wäre so nur ein Etikett, gemeint ist aber der "nationale Schulterschluss", den die Politiker des Landes miteinander nicht zu Wege brachten. Man kann sich vorstellen, wohin die politische Auseinandersetzung der nächsten Monate von den Populisten im Regierungslager getrieben wird: das Volksbegehren als "patriotische Pflicht"; wer es nicht unterstützt, ist kein "echter Österreicher". Und das Ausland lässt sich davon beeindrucken? Die ersten Monate der VP-FP-Koalition haben gezeigt, dass derartige Vorstellung ein frommer Wunsch bleibt.

Pikant, dass gerade Vertreter der neuen Politik, für die die Regierung stehen will, Argument um Argument für die Volksbefragung liefern, auch wenn es sich um einen - gelinde gesagt - unsinnigen Einsatz dieses demokratischen Instruments handelt. Andreas Khol, VP-Klubobmann im Nationalrat, schwor in der ORF-Pressestunde der juristischen wie politischen Unsitte ab, verfassungswidrige Gesetze mit Zweidrittelmehrheit in Verfassungsrang zu heben und damit einem Einspruch des Verfassungsgerichtshofes zu entziehen. (Österreich ist ja vermutlich das einzige Land, in dem die Regelung der Taxi-Konzessionen zur Verfassung gehört ...) Den Unfug dieser Volksbefragung mit ihren unklaren bis zweifelhaften Fragestellungen begründete Khol hingegen wortreich.

David vs. Goliath?

Dass zusätzlich - wie manche Kommentatoren argwöhnen - die Erregung um die Volksabstimmung auch dazu dient, in ihrem Windschatten schnell ein paar unangenehme Sparmaßnahmen durchzubringen, wäre aus strategischer Sicht noch verständlich. Doch mit dem Blick auf die weitere Eskalation der politischen Emotionen ist das Ganze ein Spiel mit dem Feuer, das die politische Stabilität und letztlich auch die Demokratie in Mitleidenschaft zu ziehen droht.

Eine unaufgeregte Politik mit Augenmaß wäre gefragt - nicht eine, die mit davidschen Drohgebärden gegen den Goliath EU auftrumpft, und die in Wirklichkeit dennoch nichts als Theaterdonner produziert.

So wie es aussieht, steht eine Farce namens Volksbefragung ins Haus - mit einer treibenden FPÖ, einer getriebenen ÖVP und einer durch und durch ratlosen Opposition: Auch über den Sommer können sich Herr und Frau Österreicher also auf einiges gefasst machen.

*) Bei Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, ob der Wortlaut der Fragen im Hauptausschuss des Nationalrates noch verändert wurde.

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