Abstinenz oder Einmischung?

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Wahlkampf ist. Das bedeutet, dass politische Parteien und deren Inszenierungen die öffentliche Diskussion bestimmen. Da ist für Religion nicht unbedingt Platz, obwohl das Thema "Kirche(n) und Politik" doch ein wenig in den Wahlkampf spielt.

In den letzten Tagen zeigten sich einmal mehr unterschiedliche Modelle kirchlichen Verhaltens in der politischen Auseinandersetzung: Die katholischen Bischöfe meldeten sich mit einer politischen Erklärung zu Wort, die nicht Partei ergreift, sondern allgemein auf Werte hinweist, der sich Christen verpflichtet fühlen: Lebens- und Familienschutz, Solidarität, europäische Einigung.

Die evangelischen Kirchen kamen hingegen ins Gespräch, weil die burgenländische Superintendentin Gertraud Knoll - unter Aufgabe ihres kirchlichen Amtes - sich für die SPÖ in den Wahlkampf wirft.

Beide Verhaltensweisen sind prinzipiell legitim, beide bleiben aber auch angreifbar:

* Dass eine evangelische Ex-Amtsträgerin ihr kirchliches Renommee im Bereich soziale Wärme und Menschenrechte nun im harten Alltagsgeschäft der Politik nützen will, mag löblich sein. Dabei darf nicht übersehen werden: Knolls politisches Agieren polarisiert schon seit längerem die eigene Kirche und hat nicht nur fruchtbare Spannungen hervorgerufen.

* Die Abstinenz der katholischen Kirchenspitze bei klaren tagespolitischen Aussagen entgeht dieser Gefahr - und ist aus den unsäglichen parteipolitischen Verflechtungen der Ersten Republik nur zu verständlich. Auf diese Weise entschlagen sich die Bischöfe aber auch der Pflicht zu prophetischer Rede, die in der aktuellen Politik immer wieder nötig wäre (die Furche kritisierte in diesem Zusammenhang etwa das Schweigen in Bezug auf die österreichische Flüchtlingspolitik).

Es mag für Kirchenvertreter also nicht einfach sein, sich politisch zu positionieren. Klar ist aber, dass auch vollständige Polit-Abstinenz eine politische Aussage beinhaltet: nämlich, sich mit den Verhältnissen, wie sie sind, abzufinden. Solches wäre fatal - und nichts anderes als eine kirchliche Bankrotterklärung.

otto.friedrich@furche.at

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