Angefangen bei Eva...

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Maria, Jesu Mutter, und andere Frauen des Neuen Testaments spielen in der Literatur des 20. Jahrhunderts eine kümmerliche Rolle: Nur einer von vielen Befunden in Magda Mottés Buch über biblische Frauen in der Literatur.

Magda Motté, durch literaturwissenschaftliche Studien bekannte Autorin, legt in ihrem neuen Buch "Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit" eine tiefschürfende Untersuchung vor: Nach geraffter Darstellung der biblischen Aussagen erörtert Motté deren Verarbeitung in der neueren deutschen Literatur in Form von "historisierender Paraphrase", "Aktualisierung und Problematisierung" sowie von "Transfiguration und Neuschöpfung".

Eva, nach Genesis 1 dem Mann gleichwertig, erliegt nach Genesis 3 der Versuchung und verführt Adam. Ihre Unterordnung unter dem Mann wird als Folge dieser Sünde gedeutet. In jüngeren Schriften des Neuen Testaments sowie bei den Kirchenvätern wird ihr die ganze Urschuld angelastet. In neuerer Zeit gilt sie mitunter noch als "Allverführerin", doch wird sie oft in einem positiven Licht gezeichnet.

Tamar, Judith, Esther, Wachti

Im Kapitel "Matriarchinnen" zeigt Motté, dass mehrere in der Bibel nur erwähnte Frauen in der neueren Literatur das Interesse an ihrem Lebensschicksal wach rufen. So plädiert etwa Thomas Mann um Verständnis für das Verhalten Tamars, der verwitweten, kinderlosen Tochter von Juda: Der laut Gesetz dazu verpflichtete Schwager Onan verweigerte ihr die Nachkommenschaft, was sie veranlasste, als Dirne verhüllt mit ihrem Vater zu schlafen, sodass sie Mutter des Peres, eines Urahnen Davids, und damit Jesu wurde (Mt 1,3). Ähnlich sehen Literaten die als Verführerin des Josef genannte Frau des Potifar heute positiver und malen ihr Verlangen im Blick auf die Situation vieler anderer Frauen aus. Aufschlussreich ist, wie das Los der Frau des Lob in der Literatur Beachtung findet. Sie hält dem geplagten Dulder verbittert vor: "Lästere Gott und stirb" und wird von diesem als (gottlose) ,,Törin" gescholten. Mit keinem Wort erwähnt die Bibel, dass sie als Mutter seiner Kinder doch ebenso wie er von den Plagen getroffen wird.

Nach der biblischen Erzählung wagt es die Witwe Judith im Vertrauen auf Gott festlich geschmückt aus der belagerten Stadt Betulia in das feindliche Lager zu gehen, um eine Befreiung der Heimat zu erreichen. Ohne sich selbst zu verunreinigen, gelingt es ihr, nach einem Mahl mit Holofernes dem eingeschlafenen Feldherrn das Haupt abzuschlagen und dies als Siegestrophäe in die belagerte Stadt zu tragen. Als Werkzeug Gottes wird sie so zur gefeierten Retterin ihrer Heimat. Seit Hebbel (1841) wird ihre Tat nicht mehr als Demonstration der rettenden Macht Gottes betrachtet, sondern als Veranschaulichung des leidenschaftlichen Kampfes zwischen Frau und Mann: Holofernes verführt die schöne, auch von ihm faszinierte Witwe; sie aber tötet ihn. Die Gefühle beider versuchen neuere Autoren ohne jeglichen Bezug auf Gott zu analysieren, vor allem in lyrisch-dramatischen Reflexionen. Neuerdings wird über Judith unter Bezug auf tagespolitische Ereignisse geschrieben.

Ähnlich wird auch die von Juden bis heute gefeierte Rettungstat der Königin Esther rein innerweltlich interpretiert. Bei der ausführlichen Besprechung der Rezeption des Buches Esther bemerkt Motté, dass im Unterschied zur Sympathie für Esther das der früheren Gattin Wachti zugefügte Unrecht (Verstoßung wegen der Weigerung, sich öffentlich bloßzustellen) überhaupt nicht bedacht wird.

Der informative tabellarische Überblick (Namen, Bibelstellen, Kurzcharakterisierungen) belegt, dass die Frauen des Neuen Testaments in der literarischen Produktion "eine kümmerliche Rolle" spielen. So fehlt etwa ein Werk von Rang, in dem Maria, die Mutter Jesu, als irdische Person ganz ernst genommen wird.

Maria von Magdala

Sehr umfangreich, aber kontrovers ist die literarische Verarbeitung der Maria von Magdala. Sie steht bei Lukas 8,2 an erster Stelle der Nachfolgerinnen Jesu und war bei seinem Tod und Begräbnis anwesend. Am Ostermorgen eilte sie zum Grab, wo ihr Jesus erschien und sie als Botin der Auferstehung zu den Jüngern sandte (Joh 20,2-14). Historisch unsicher ist, ob sie die Schwester von Lazarus und Martha war (Joh 11). In der Vulgärtheologie wird sie fälschlich mit der Sünderin identifiziert, die Jesus die Füße wusch (Lk 7,36-50) und so zum exemplarischen Prototyp einer bekehrten "Sünderin" wurde Diese Sicht verdrängte weithin ihre Berufung als "Apostola apostolorum".

Dies belegen die vielen von Magda Motté ausführlich besprochenen unterschiedlichen, mitunter sogar unerträglichen Adaptionen der biblischen und traditionellen Aussagen. Als letzten, nachdenklich stimmenden lyrischen Text zitiert die Autorin Kurt Marti: "prophetin einer magdalenischen zeit" (1984), die den Frauen gerechter wird, als es in der Bibel und Menschheitsgeschichte bisher oft üblich war und zum Teil noch ist. Das sehr lesenswerte Buch kann dazu sicher beitragen.

Der Autor ist em. Prof. für neutestamentl. Bibelwissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät in Wien.

Esthers Tränen, Judiths Tapferkeit Biblische Frauen in der Literatur des 20. Jahrhunderts

Von Magda Motté. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003

272 Seiten, geb., e 30,80

Veranstaltungstipp

Vortrag und Seminar mit Magda Motté über ihr Buch:

Vortrag:

DASS IHRE ZEICHEN BLEIBEN

Moderation: Brigitte Schwens-Harrant, Die Furche

Freitag, 3. Oktober, 19.30

1010 Wien, Spiegelgasse 3, Mezz.; e 9,-

Seminar

WECHSEL GEHT DURCH MEIN GESCHLECHT

Das Seminar beschäftigt sich intensiver mit der Thematik "Biblische Frauen" in der Literatur des 20. Jahrhunderts".

Samstag, 4. Oktober, 9.30 bis 12.30

1010 Wien, Spiegelgasse 3, Mezz.; e 11,-

Veranstaltung des Literarischen Forums der Katholischen Aktion in Kooperation mit FURCHE und Buchhandlung Herder.

Informationen und Anmeldung:

Tel. 01/3176165-31

www.literarisches-forum.at

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