6602346-1953_47_14.jpg
Digital In Arbeit

Roman uber den eisten Papst

19451960198020002020

Der Fischer Simon Petrus. Roman. Von Krt Frieberger. Paul Zsolnay Verlag,Wien. Preis 89 S.

19451960198020002020

Der Fischer Simon Petrus. Roman. Von Krt Frieberger. Paul Zsolnay Verlag,Wien. Preis 89 S.

Werbung
Werbung
Werbung

. Wohl noch selten ist ein Roman mit so viel Liebe geschrieben worden wie dieser. Und diese Liebe ist gepaart mit der gewinnenden Gabe, voll Intensität, phantasiereich, überaus anschaulich, packend und herzergreifend, stimmungsvoll und suggestiv menschliche Szenen und Landschaftsbilder zu schildern. Die spannungsreiche Gestalt des Fischers und Apostels Petrus hat den Verfasser ganz in ihren Bann gezogen. Und es lag nahe, diesen umfangreichen Roman dem 261. Nachfolger dieses Fischers, Papst Pius XII., in Ehrfurcht zuzueignen.

Es ist nur schade, daß das Werk zu nicht leichten Bedenken Anlaß gibt, die eine ausführliche Rezension nicht verschweigen darf. Aufgabe eines historischen Romans ist es doch wohl, von den feststehenden Gegebenheiten auszugehen, mit der Kraft der Einfühlung in jene Zeit und jene Gestalten die geschichtlichen Lücken mit einer gewissen inneren Wahrscheinlichkeit zu füllen, mehr oder weniger tief die innere Welt der vorgenommenen Persönlichkeiten zu ergründen und auf solche Weise ein auf Grund der feststehenden Tatsachen wahrscheinliches oder doch mögliches Bild von ihnen zu malen. So ersteht der historische Roman aus der fruchtbaren Spannung zwischen der Ehrfurcht vor den unverrückbaren Tatsachen und der Gabe des Spurenlesens und intuitiven Nacherlebens des Schriftstellers. Sein Unternehmen wächst mit der Größe der Persönlichkeit seines Helden, und es wird doppelt schwer, wenn sie, wie die Gestalt des Simon Petrus, in übernatürliche Zusammenhänge eintritt und sich in vielem der rein psychologischen Deutung entzieht. Wenn aber, wie es hier der Fall ist, die Gestalt des Gottmenschen einbezogen wird, dann ist es wohl selbstverständlich, daß dieser nur geschichtliche Treue einigermaßen gerecht werden kann. Frieberger nimmt nun nicht bloß sinnstörende Umstellungen der Sätze Jesu vor (S. 153, 165 u. a.) oder paraphrasiert sie (z. B. S. 53, 110) oder erfindet neue (S. 25, 107), sondern löst sie bisweilen aus dem Zusammenhang und gibt ihnen damit einen anderen Sinn. Ein Beispiel: Bei Matthäus 8, 20 heißt es: „Ein Schriftgelehrter trat heran und sagte zu ihm: .Meister, ich will dir folgen, wohin Du auch gehen magst.“ Jesus erwiderte ihm: ,Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel des Himmels ihre Nester. Der Menschensohn aber hat keine Stätte, wohin er sein Haupt legen kann.“' Der Sinn ist aus dem Zusammenhang klar. Bei Frieberger spricht Jesus diese Worte nach einer müden, im Freien verbrachten Nacht: „Doch sah er am nächsten Morgen traurig zurück auf die Liegestatt im Gestrüpp und murmelte vor sich hin: ,Die Füchse haben . . .“' (S. 120). (Vgl. auch S. 123 und 142 f.) Noch weniger geht es an, daß Christus „Verachtung“ (S. 96), „verächtliches Lächeln“ (S. 137), „Spott“ (S. 108, 117, 183) zugeschrieben wird. Dazu wieder ein Beispiel: Jesus fragt Petrus nach der Auferstehung um seine Liebe; auf dessen Versicherung läßt Friebecger Jesus antworten: ,„Weide mir' — es klang mit-, leidig, voll eines gutmütigen Spottes, ob so sanfter Bestimmung — ,die Schafe'“ (S. 193). Der gläubige Christ stößt sich auch daran, wenn es von Christus in Gethsemani heißt, daß „seine zitternden Kiefer mühsam die Worte formten“ (S. 160), daß der tröstende Engel wie eine Einbildung geschildert wird (S. 160), daß Christus dort „unter ungeheuren Gewissensqualen“ zusammenbrach (S. 332). Es ist ferner ungeschichtlich, daß Pilatus vor dem Prozeß nach Jesus fahndete (S. 93) und nur „Weibern zuliebe das Schicksal Jesu verzögerte“ (S. 124); noch manches andere wäre zu nennen. Wenn es in einem solchen Roman am Platze wäre, würden wir zwei Sätze dem Humor des Verfassers zuschreiben: „Jesus dankte dem Hauptmann mit dessen eigenem römischen Gruß“ (S. 77), und beim Einzug in Jerusalem: „Zum Weltentscheid hob eine Eselin den Huf“ (S. 133).

Einigermaßen verzeichnete er auch das Bild der Mutter Jesu, die fast immer um ihn zu sein scheint (vgl. S. 76) und von der es einmal heißt: „Seine Mutter will seiner (Jesu) habhaft werden aus Angst um sein Leben“ (S. 95). Daß Matthäus gleich einem modernen Reporter an Ort und Stelle alles niederschreibt, ja mitschreibt (S. 111, 122, 138 usw.), ist zwar reine Erfindung, dient aber immerhin der Belebung. Daß Markus der reiche Jüngling gewesen sein soll (S. 120), Lukas gegen alle Ueberlieferung in Palästina lebte (S. 131) und bei der Mißhandlung Jesu einen merkwürdigen Trost versuchte (S. 173), „Herodes, Pilatus, die Hohepriester, die Sebasthener hinter den Äölfboten her waren wie Wolf und Schakal“ (S7 91), und so manches andere mag man noch hinnehmen. Daß aber die Jünger Jesu in Gethsemani das Kriegsgeschrei anstimmten: „Maran atha! — Zu den Waffen!“ (S. 1-61 f.), daß sie am Kar-samstag die Auferstehung Jesu erwarteten (S. 176 ff.), daß die Schwiegermutter des Petrus in „heiliger Krankheit' schon lange zuvor das Leiden Christi und der Apostel geschaut hätte (S. 98), ist unannehmbar.

Wenn wir uns nun dem eigentlichen Helden des Romans, dem Fischer Simon Petrus, zuwenden, können wir unsere Einwände kaum milder fassen. Man mag noch darüber hinweggehen, daß nicht Johannes, sondern er zusammen mit Andreas zuerst Christus fand und ihm nachfolgte (S. 38, 331), daß ihn Zeit seines Lebens geradezu ein Komplex des krähenden Hahnes verfolgte (S. 227 usw.), der einmal zu einer (den Leser) erheiternden Episode führte (S. 405), daß er zum Dichter von phantastischen Festhymnen wurde (S. 223 f., 359). Das Wortspiel mit dem „Teufel“ und „armen Teufel“ (S. 101); sein heilautes Singen: „Wenn ich der Sohn vom Jahve war!“ (S. 105); sein Gebet: „Bewahre mich, Herr, ein Wunder zu tun!“ (S. 416); sein Ausspruch vor Nero: „Ich bin das Leben, das ewige. Du bist der Tod“ (S.“ 485); oder seine Bemerkung über römische Christen: „Diese Un- und Ueberreifen hier könnten mit ihrem Spintisieren den Herrgott selbst irremachen“ (S. 350); seine Behauptung vor den heidnischen Römern: „Eure Götter, arme Dämonen, neigen sich in stummer Andacht vor dem Allmächtigen“ (S. 282); eine fast schon peinliche Theatralik bei der Heilung seiner Tochter Petronilla (S. 315 f.) und die romantische Idylle ihres Sterbens (S. 337 ff.): all das spricht schon gegen sich selbst. Viel bedenklicher sind die Verzeichnung des Gegensatzes zwischen Petrus und Paulus (S. 350 ff, 422 usw.), die sich erst vor ihrem Martertod richtig versöhnen (S. 518); die wiederholte Behauptung vom Widerstand Petri gegen alle Organisation (S. 425 f. usw.) — in Rom heißt es: „Ein festes, geistiges Gerüst fehlte annoch“ (S. 317) —; der überspitzte Widerstand des Apostels gegen die Niederschrift des Markus-Evangeliums (S. 330), nachdem er schon einmal „wie ein übermütiger Junge seinen Markus auf die Schulter geklopft und ihn ausgelacht hatte: „Ich getraue mich gar nicht, deine Kammertür aufzuschließen, grade nur, um dich von deinem Geschreibsel (dem Evangelium!) wegzuholen als meinen Wegweiser, mein Gedächtnis und mein Gewissen. Sehe ich deine Sorgenlast — weißt du, was ich dann tu? — Dem Herrgott danken, daß ich all die Geschrift nicht versteh', die paar Buchstaben des Rabbi Zachäus längst vergaß. Sonst müßte ich jedermanns Gesalbader lesen und wüßte selbst nichts mehr“ (S. 318): die sehr unzureichende Kennzeichnung seines Lebenswerkes mit dem Satz: „Abendland und Morgenland in Liebe verbunden“ (S. 264); und leider noch manches andere, womit wir. den geduldigen Leser nicht länger bemühen wollen.

Abschließend sei bemerkt, daß der Roman weder künstlerisch noch geistig ein geschlossenes Ganzes darstellt, daß wir jene Tiefe vermissen, die aus den Briefen des Apostels spricht, und das Gerechtwerden seiner inneren Reife, zu der ihn die Gnade schon lange vor dem Martyrium geführt hat, und im Grunde das wesentliche Verständnis des Christentums überhaupt. Es ist eher ein spät apokryphes Werk, in dem die früh apokryphen Schriften und Legenden auch geistig das Ueber-gewicht haben. Weshalb sie der Verfasser trotz allem wohl manchem Leser näherbringen mag. Doch anerkennen wir gerne, daß die Gestalt des Fischers Simon Petrus liebenswürdig gezeichnet ist.

Dr. Georg J. S t r a n g f e 1 d SJ.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung