Des Kaisers Forderung und Gottes Gebot

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Noch scheinen die widersprüchlichen Anforderungen zwischen weltlichem Recht und christlichen Geboten nicht so gravierend.

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Noch scheinen die widersprüchlichen Anforderungen zwischen weltlichem Recht und christlichen Geboten nicht so gravierend.

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Die Debatte. Regieren unter christlichem Anspruch?

Zum Thema: Christliches in den Parteiprogrammen. Parteien "Wir begründen unsere gesellschaftspolitischen Grundsätze aus dem christlichen Bekenntnis zur Würde des Menschen", lautet der erste Satz im Grundsatzprogramm der Österreichischen Volkspartei. Und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beteuerte im furche-Gespräch (Nr. 20/2000), dass die Bezeichnung "Christdemokraten" für ihn immer mehr war, als nur ein Wort. Zur Debatte, wie sich ein explizites christliches Bekenntnis auf die konkrete Regierungsarbeit auswirkt, hat die furche geladen. Was heißt, unter christlichem Anspruch zu regieren? Dabei geht es nicht nur um die ÖVP. Auch die zweite Regierungspartei, die FPÖ bezeichnet sich in ihrem Programm als "ideeller" und "natürlicher Partner der christlichen Kirchen". WM Die Grünen verstehen sich als absolut profane politische Kraft, treten mit Nachdruck für die strikte Trennung von Staat und Kirchen ein und sehen die Gewährleistung von Freiräumen für die private Ausübung einer Religion und die Garantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit als wichtige Verpflichtungen des Staates an.

Christliche Motive: Nächstenliebe, Ehrfurcht vor dem Leben und der gesamten Schöpfung oder das bedingungslose Eintreten für Menschen in Notsituationen, für Flüchtlinge, Opfer von Hungersnöten, Katastrophen oder Kriegen, für Kranke, Obdachlose oder Einsame können Fundament und Kraftquelle für GrünaktivistInnen sein, bleiben aber im Bereich der Privatsphäre. So ist es wohl kein Zufall, dass die ExponentInnen Grüner Sozialpolitik von verschiedenen Strömungen herkommen: von linken Bewegungen ebenso wie aus dem christlichen Bereich.

In den wesentlichen Forderungen und hinsichtlich der politischen Prioritäten herrscht Übereinstimmung: * Diskriminierungen (der Frauen, der AusländerInnen, der Behinderten) sind zurückzudrängen; * Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung, Kleidung, Bildung, Kultur, Mobilität) müssen gesichert werden - daher die grüne Forderung nach Einführung einer sogenannten Grundsicherung für alle; * Erwerbs- und Familienarbeit sollen gleichermaßen auf Frauen und Männer verteilt werden; schutzwürdige soziale Interessen haben Vorrang vor ökonomischen Zwängen und reinen Rentabilitätskalkülen; * Internationale Arbeitsteilung soll zu fairen Bedingungen stattfinden, das heißt dass die sozialen Grundforderungen gleichermaßen für die Menschen in ärmeren Ländern und Kontinenten gelten sollen.

All diese sozialen Rechte müssen besser abgesichert werden und brauchen - wie die klassischen Freiheits- und Grundrechte - eine Absicherung auf Ebene der Verfassungen beziehungsweise in durchsetzbaren internationalen Abkommen.

Die Globalisierung der Wirtschaft darf nicht zu einem permanenten Sozialdumping führen. Probleme können für PolitikerInnen mit christlichem Hintergrund dann entstehen, wenn staatliche Gesetze so hart und einschränkend werden, dass Konflikte zwischen dem Vollzugsmonopol des Staates und den Geboten der Religion entstehen.

Wenn etwa das österreichische Fremdenrecht unter Umständen Familien zerreißt, EhepartnerInnen trennt oder Kinder isoliert, dann mag es dem staatlichen Recht widersprechen, solche "illegalen" Menschen (die das Evangelium nicht kennt!) aufzunehmen, aber es entspricht der Bergpredigt.

Oder wenn die Glaubensbotschaft die gesamte Schöpfung als "gut" bezeichnet, dann stellt sich die Frage einer höheren Legitimität von Normen, die letztlich die völlige Ausbeutung von Nutztieren, die Zerstörung von Lebensräumen und die Gefährdung der Lebensgrundlagen decken.

Und wenn das wichtigste christliche Gebot lautet, Gott und den Nächsten zu lieben wie die eigene Person, dann können überzeugte ChristInnen wohl nicht schweigen, wenn etwa auf Wahlplakaten "keine Gnade" für bestimmte Straftäter verlangt wird. Und wenn christliche AmtsträgerInnen wie Gertraud Knoll wegen ihres christlichen Engagements verfolgt werden, dann gewinnen die Worte der Bergpredigt beklemmende Gegenwartsnähe.

Noch scheinen mir die widersprüchlichen Anforderungen zwischen weltlichem Recht und christlichen Geboten nicht so gravierend, dass das staatliche Monopol der Rechtsdurchsetzung in Frage zu stellen wäre. Dennoch gibt es in etlichen Bereichen bereits großen Handlungsbedarf, um für ChristInnen nicht permanente Gewissenskonflikte zwischen den Forderungen "des Kaisers" und den Geboten Gottes zu verursachen.

Die Autorin ist Nationalratsabgeordnete der Grünen.

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