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SPD-Leitbild: Der Versorgungsstaat

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Auf dem Gebiet der Sozialpolitik folgt die SPD nach wie vor dem Leitbild des Versorgungsstaates. Die Kulturpolitik fällt entsprechend dem Grundgesetz in die Kompetenz der Länder. Es ergeben sich daher mannigfache Verschiedenheiten in der Kultur-, vor allem in der Schulpolitik. Die offiziellen katholischen Stellen sind außerordentlich empfindlich in der Frage der Bekenntnisschule und fühlten sich etwas erleichtert, als im Godesberger Programm endlich neben der Gemeinschaftsschule auch den „Konfessionsund Weltanschauungsschulen“ eine Existenzberechtigung zugesprochen wurde; speziell nahmen sie gern den Satz zur Kenntnis: „Die Sozialdemokratische Partei respektiert die Entscheidung der Eltern, die einer durch ihren Glauben oder ihrer Weltanschauung besonders bestimmten Erziehung den Vorrang geben.“ Doch spricht das Programm die Hoffnung aus, daß es den' Sozialdemokraten gelingen werde, alle Eltern von der Vorzugswürdigkeit der Gemeinschaftsschule zu überzeugen ... Das Godesberger Programm versichert die Achtung der Sozialdemokratischen Partei vor den Kirchen und Religionsgemeinschaften, bejaht ihren öffentlich rechtlichen Schutz, versichert die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit ihnen im Sinne einer freien Partnerschaft und begrüßt „die Verpflichtung zu sozialem Handeln aus religiöser Bindung heraus.“

Was bedeutet heute „klerikal“?

Man mag daraus schließen, daß die alte Formel: „Religion ist Privatsache“, die man gelegentlich auch wieder hört, nun wirklich ernst gemeint ist. Dem stellt die CDU/CSU im Hamburger Programm (1953) entgegen: „Die Christlich-Demokratische Union erstrebt eine vom Christentum getragene Lebensgemeinschaft des ganzen deutschen Volkes.“

Die Freie Demokratische Partei, die sich in ihrem Berliner Programm von 1957 zu Geistesfreiheit, Toleranz und humanem Bildungsideal bekennt &#171; und ihre < Würdigung -der Werte des Christentums versichert, fordert vom Staat Freiheit für die Religionsausübung und Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Kirchen, lehnt jedoch „klerikale“

Einflußnahme auf politische Entscheidungen ab. Im Frankfurter Wahlaufruf 1961 wird die christliche Gemeinschaftsschule mit getrenntem Religionsunterricht gefordert. Die Bekenntnisschule, so heißt es in den Kulturpolitischen Thesen von 1961, fördere die konfessionelle Zwietracht und behindere die Errichtung leistungsfähiger, voll ausgebauter Schulen.

Die FDP hat gewisse Schwierigkeiten, ein ausgeprägtes politisches Profil zu entwickeln. Die liberalen Parteien der Weimarer Republik, die Deutsche Volkspartei und die Demokratische Partei, zerfielen schon vor 1933. Es mußte also nach 1945 — im Gegensatz zur Sozialdemokratischen Partei, die im Exil und im Untergrund durchgehalten hatte — ganz neu begonnen werden. Da sie keine Aussicht hatte, zur politischen Führung zu gelangen — sie verlor sogar bis 1957 ständig Mandate und holte erst 1961 wieder auf —, stand die FDP stets im Schatten ihres Koalitionspartners CDU/CSU; doch gelang es ihr, sich zu konsolidieren und ihre Rolle als „Zünglein an der Waage“ mit zunehmendem Geschick zu spielen- Ihre Abneigung gegen „Mißbrauch der Religionen im politischen Tageskampf“ und ihre Sorge wegen der „Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens“, die sie im Frankfurter Wahlaufruf 1961 aussprach, hat sie bisher nicht widerrufen.

Die Frage ist: Was nachher? Wird es zu einer großen Koalition Union-SPD kommend-öder bleibt die-kleirte Koalition zwischen den Unionsparteien und den Freien Demokraten erhalten? Darüber wird vorläufig nicht gesprochen, zunächst hat der Wähler das Wort.

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