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Ökumene in der Volkspartei

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In Erfüllung des Punktes 2.5 des Salzburger Grundsatzprogram-mes („die ÖVP sieht im Christentum die ständige Herausforderung zur Gestaltung der Welt nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe, der Brüderlichkeit und des Friedens. Sie ist offen für Christen und für alle jene, die sich aus anderen Beweggründen zu einem humanistischen Menschenbild bekennen“) hat es sich der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der Volkspartei zur Aufgabe gemacht, .jenen Teil des christlichen Erbes, den die Evangelischen Kirchen als Auftrag zur Gestaltung der Welt bewahren wollen“, in die Politik einzubringen. Damit stellt sich die ÖVP in keinerlei Widerspruch zu ihren katholischen Mitgliedern und Wählern: Infolge der ökumenischen Bewegung und des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde das gemeinsame Christliche der Kirchen wiederentdeckt. Protestantismus beruhe demnach nicht auf der Gegnerschaft zum Katholizismus, im Gegenteil, evangelisches Gedankengut sei Anteil des Christentums.

Im Unterschied zur Bundesrepublik - wo der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU bereits seit über 20 Jahren Erfahrungen sammelt und derzeit eher die „Positionen in der Kirche“ zurük-kerobern möchte - hat der Evangelische Arbeitskreis der Volkspartei erst im Herbst 1977 seine Tätigkeit aufgenommen und befindet sich im Stadium der politischen Selbstfindung, des Aufzeigens der Grenzen zum So-

zialismus. Kommendes Wochenende findet die diesjährige Tagung mit dem Generalthema „Evangelische Verantwortung für Österreich“ in der Herzogburg in Perchtoldsdorf statt. Spitzenpolitiker der ÖVP und über 100 prominente Protestanten haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. Der jüngst zum Bundesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU gewählte Kultusminister von Baden-

Württemberg, Prof. Dr. Roman Herzog, wird den Einführungsvortrag halten und „Christliche Politik - Christen als Politiker“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellen.

Die Tagung soll Signalwirkung für alle Protestanten Österreichs haben: Standen bisher viele von ihnen der Volkspartei eher skeptisch gegenüber und konnten in ihr nicht so recht die politische Heimat finden - habe doch noch Bundeskanzler Klaus in- und ausländische Gäste namens einer katholischen Bundesregierung willkommen geheißen - so sei nun innerhalb der Partei eine grundlegende Wandlung in Richtung auf christliches Selbstverständnis eingetreten. Der Geschäftsführer des Arbeitskreises, Robert Kauer, sieht in der Bewußtma-

chung dieses Standortes eines der Hauptziele des Kreises und hofft, so den Bestrebungen der sozialistischen Partei entgegenzuwirken, Protestanten zur Mitarbeit in der „Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialismus“ (ACUS) zu motivieren. Wohl haben sich seinerzeit viele evangelische Christen aus Opposition gegen katholische Politik oder politischen Katholizismus und gleichzeitig dem

Leitbüd sozialer Gerechtigkeit folgend eher dem sozialistischen Gesellschaftsmodell zugeneigt, jedoch sei Bewegung in die geistige Landschaft geraten.

Der Salzburger Universitätsprofessor Dr. Christoph Link - ebenfalls ein Vortragender der Tagung - sieht gerade im Menschenbild der ÖVP, in ihrem Verständnis von staatlicher Verantwortung und von Freiheit im Sozialstaat in besonderer Weise Berührungspunkte mit dem reformatorischen Erbe.

Evangelisches Verständnis von politischer Ordnung beruhe auf dem Bekenntnis zu pluralistischer Freiheit und stehe im Gegensatz „zu einem Denken, das ideologisch den Bürger

auf eine von ihm bestimmte, objektive Vernünftigkeit verpflichtet“; es beruhe auf den zentralen Wertentscheidungen für den Schutz des Lebens, der Ehe und Familie, für Freiheit religiöser Betätigung und sei der sozialistischen Wertung diametral entgegengesetzt

Reformatorisches Anliegen sei die Freiheit eines Christenmenschen unter dem Vorbehalt sozialer Gerechtigkeit: „Ebensowenig wie es eine Freiheit zur Ausbeutung geben kann, kann es auch eine Gleichheit geben, die die freie Entscheidung zu selbstverantwortlicher Lebensgestaltung aufhebt“. Die ÖVP-Maxime „Hilfe zur Selbsthilfe“ garantiert - so meint Link - weit mehr evangelisch verstandene Freiheit und Gerechtigkeit und entspreche eher reformatorischem Denken als die „Programme säkularer Heilslehren“, die durch einheitliche monopolistische Organisationsformen zu sozialem Gleichklang finden wollen.

Die Tagung ist in besonderem Maße der Diskussion gewidmet. Der EAK sieht sich als Plattform einer offenen Aussprache über Grundsatzfragen: in Form zwangloser Kon-taktnahme zwischen Protestanten und Christen aller Konfessionen, zwischen den Kirchenleitungen und der Parteispitze soll Orientierungshilfe für geistige Arbeit gegeben und darüberhinaus eine Brücke zwischen Politik und Kirche geschlagen werden, um das gemeinsame Vielfache aufzuzeigen.

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