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Um die Staatsform Italiens

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So gewaltig die Erschütterungen des zweiten Weltkrieges auch waren, die Zahl der Throne, die sie stürzten, ist bis jetzt gering. In Spanien erscheint sogar die Wiederaufrichtung als ein Ausweg us dem phalangistischen System. So ist es um so bemerkenswerter, daß in Italien eine allem Anschein nach starke republikanische Bewegung um sich greift, die zu dem Vorschlag der britischen Regierung an die USA und die Sowjetunion geführt hat, daß am 2. Juni zugleich mit den Parlamentswahlen in Italien eine Volksabstimmung über die

Staatsform stattfinde. — Das feststellbare Vordringen der republikanischen Richtung ist doppelt bemerkenswert, da doch der Faschismus in seiner Endphase sich republikanisch gebärdete und die Monarchie abschaffte. Es war der Monarch, der in Übereinstimmung mit der Volksstimmung den Duce stürzte, und es , war der Kronprinz, der schon bald mehr offen als geheim gegen den Faschismus auftrat.

Daß es dennoch den Anschein hat, es wolle das italienische Volk auf eine monarchistische Autorität verzichten, läßt tiefere, nicht aus den Ereignissen der letzten Jahre 'herauswirkende Ursachen erspüren. Es war eben doch in breiten Schichten des Volkes das Haus Savoyen nicht jene von dem Glanz alter Tradition und Legitimität umflossene Herrschermacht, die — stärker als der Faschismus — dessen zwanzigjährige Omnipo-tenz hätte überdauern können. Es ist noch nicht lange her, daß die katholischen Volkskreise bei politischen Wahlen demonstrativ Abstinenz übten als grundsätzliche Kundgebung gegen die Rechtswidrigkeit der staatsrechtlichen Zustände, an deren Beginn die Wegnahme des Kirchenstaates durch den Savoyerkönig stand. Noch in diesem Jahrhunde/t gab es eine strenge gesellschaftliche Scheidung zwischen dem weißen und schwarzen, zwischen dem um den Papst und den um den König gescharten römischen Hochadel. — Die Volkstümlichkeit des Königshauses hat lang unter diesen Erinnerungen an den. 20. September 1870, die gewaltsame Besitznahme von Rom, gelitten. Alle Anerkennung, die das Haus Savoyen für sein Werk der nationalstaatlichen Einigung Italiens auch heute noch in sämtlidien politischen Lagern Italiens finden mag, kann daran nichts ändern, daß es durch seine Ausdehnungspolitik, die vor keinem histo-schen Recht halt machte, sich selbst die Grundlage wegriß, auf der eine Dynastie, eine Monarchie beruhen muß: die Achtung eben vor dem Recht. Es wäre sonst schwer zu erklären, daß gerade in den konservativ gesinnten katholischen Volkskreisen eine jüngst von ihrer Vertretung, der Christlich-demokratischen Partei, vorgenommene Probeabstimmung 503.000 Stimmen für die Republik und nur 146.000 für die Monarchie, bei 187.000 Stimmenenthaltungen, ergab. — Man möchte wieder der Bestätigung gewahr werden, daß in der Geschichte eine unerbittlich waltende, wenn auch durch keine Ungeduld beirrte Gerechtigkeit wirkt.

stoßen. Die SPÖ hat ihren Standpunkt bekanntgegeben, daß eine Einheit der marxistischen Arbeiterschaft in Österreich nur bedeuten könne, daß sich die Kommunisten der sozialistischen Führung unterstellten. Der Theoretiker der Labour Party, Harold Laski hat sich entschieden gegen alle Fusionsbestrebungen gewendet, da sie einer Begünstigung aller jener Strömungen gleichkämen, die zu einem Einparteiensystem, damit aber zu einer inneren Aushöhlung des demokratischen Systems führen müßten. Und ach auf dem Parteitag der italienischen Sozialisten hat sich eine Mehrheit für die Selbständigkeit der Partei gegenüber den Kommunisten ausgesprochen. Symptomatisch aber für das Aufeinanderprallen der beiden Formen der Linken, der sozialistischen und der kommunistischen, sind die Entwicklungen, die in der deutschen Arbeiterschaft in den letzten Monaten vor sich gegangen sind.

Das Gros der deutschen Arbeiterschaft, darüber kann kein Zweifel bestehen, lehnt die Verschmelzung mit der KPD ab. Aber im östlichen Deutschland war der Druck,

der auf der Arbeiterschaft, auf dem Apparat der SPD lastete, so stark, daß die Verschmelzung in der östlichen Zone Wirklichkeit wurde. Indessen, die entschlossene Verschmelzungspolitik der KPD hat zu dem Ergebnis geführt, daß nunmehr die englischen Kontrollbehörden aus ihrer Zurückhaltung herausgetreten sind und mit einer bis dahin ungewohnten Eindeutigkeit in die Entwicklung innerhalb der deutschen Linksparteien eingegriffen haben. Die englischen Kontrollbehörden, die Labour Party und der größere Teil der englischen Presse, sie alle verhehlen nicht ihre Sympathien für die deutsche Sozialdemokratie, die ihnen als der Garant einer demokratischen Entwicklung Deutschlands gilt. Und demokratische Entwicklung bedeutet für die Angelsachsen Ablehnung unorganischer Fusionsbestrebungen. ■

Wie enttäuscht die Kommunisten über den Selbständigkeitswillen der Sozialdemokraten in Deutschland und in Österreich sind, zeigt nichts bessdr als eine temperamentvolle publizistische Auslassung, die den kennzeichnenden Titel „Die Feinde der

Einheit. Wer ist Schuhmacher?“ trägt. Uns interessieren darin weniger die persönlichen Angriffe auf den Führer der deutschen Sozialdemokraten in der englischen Zone Deutschlands — dieser aufrechte Mann ist vielen Österreichern aus dem KZ Dachau in achtungsvoller Erinnerung — als vielmehr die Schärfe, mit der in ihr der SP in Österreich und in Deutschland entgegengetreten wird. Die Sozialdemokraten beider Länder werden als alte Versager und Ja-Sager, das Zentralorgan der SPÖ als hoffnungslos verkalkt hingestellt. Der kommunistische Aus-falFschließt dann mit der Feststellung, daß zu den größten Fehlern der Vergangenheit die Uneinigkeit unter den Arbeitern gehörte und daß die Einigkeit der Arbeiter kein Schuhmacher in Deutschland und kein Spalter in Österreich aufhalten dürfe. Aber was bedeutet dieser Appell zur Einigkeit der Arbeiterklasse, wenn gleichzeitig die Männer, die das Vertrauen der überwiegenden Mehrheit der demokratisch eingestellten Sozialisten genießen, als Feinde der Arbeiter hingestellt werden?

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