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ÖIG: Sadikoalition gescheitert

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Nach der Entscheidung der ÖVP, den Aktienbesitz und alle sich daraus ergebenden Rechte an den verstaatlichten Unternehmen der ÖIG zu übertragen, erklärte Aufsichtsratspräsident Dr. Taus befriedigt: „Die ÖIG sieht nun auch international etwas gleich.“ raus vertrat ja bereits als Staatssekretär mit sehr viel Engagement die Meinung, es sei Wahnsinn, daß sich die Mini-Industrienation Österreich den Luxus völliger Dekonzentration leiste; kleinere Staaten als Österreich besitzen mit CIBA, Nestle, Saurer, Hoffmann-La Roche (Schweiz), Philips, Shell, Unilever (Niederlande), Volvo, Saab (Schweden) Großkonzerne von internationalem Format. Kernzellen für künftige große Einheiten in Österreich können nur die großen verstaatlichten Unternehmen sein, also müsse man der wirtschaftlichen Vernunft gehorchen und Fusionieren, große Einheiten schaffen.

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Nach der Entscheidung der ÖVP, den Aktienbesitz und alle sich daraus ergebenden Rechte an den verstaatlichten Unternehmen der ÖIG zu übertragen, erklärte Aufsichtsratspräsident Dr. Taus befriedigt: „Die ÖIG sieht nun auch international etwas gleich.“ raus vertrat ja bereits als Staatssekretär mit sehr viel Engagement die Meinung, es sei Wahnsinn, daß sich die Mini-Industrienation Österreich den Luxus völliger Dekonzentration leiste; kleinere Staaten als Österreich besitzen mit CIBA, Nestle, Saurer, Hoffmann-La Roche (Schweiz), Philips, Shell, Unilever (Niederlande), Volvo, Saab (Schweden) Großkonzerne von internationalem Format. Kernzellen für künftige große Einheiten in Österreich können nur die großen verstaatlichten Unternehmen sein, also müsse man der wirtschaftlichen Vernunft gehorchen und Fusionieren, große Einheiten schaffen.

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Die Vorteile, die ein Großer gegenüber Kleinen auch in der Wirtschaft hat, sind unibestritten. Für Österreich ist dabei vor allem ein Aspekt maßgebend: In allen Branchen und allen Staaten fressen die Großen immer mehr Kleine; der Appetit der

Großen ist schier unstillbar, solange es Kleine gibt. Durch Fusionierungen werden also die Lebens- und Uberlebenschancen der nationalen österreichischen Wirtschaft verbessert und gesichert.

Angesichts dieses unleugbaren Wirtschaftsdarwinismus entwickeln auch die Sozialisten einen Selbsterhaltungstrieb. Sie haben vor den Großen noch viel größere Angst als nichtsoziaüstische Wirtschaftsführer. Die sozialistische Angst vor Siemens und dem gesamten westdeutschen Großkapital ist die Angst vor dem Gefrassenwerden. In ihrer Angst übersehen die Sozialisten, daß mit der Stärkung der ÖIG nach dem Muster der ÖVP-Vorschläge eigentlich genau erreicht wird, was in dieser Situation notwendig ist: Der Bissen wird so groß, daß er für potentielle Angreifer unverdaulich ist, daß ihn niemand mehr ohne Erstickungsgefahr in den Mund nehmen kann. Das muß letzten Endes der Sinn der ÖIG-Stärkung und Fusionierung sein.

Die sozialistischen ÖIG-Experten halten noch immer daran fest, daß die Verstaatlichten-Feinde auf der Rechten das Volkseigentum eigentlich am liebsten verschachern wollen. Sie anerkennen nicht die gesunden ökonomischen Überlegungen und Argumente der ÖVP-Verhandter, die ebenso wie sie selbst dem Darwinschen Gesetz entgegenarbeiten und Österreich seine wirtschaftliche Potenz erhalten wollen. Das hat vermutlich historiische Gründe. Raab und Karnitz ließen die Verstaatlichte links liegen und konzentrierten sich mit ihrer Wirtschaftspolitik ganz auf das Gewerbe und die Mittelbetriebe. Inzwischen hat sich die ÖVP eindeutig — zuletzt im Koren-Plan — auf eine umfassende Industriepolitik festgelegt, und diese Wandlung im Grundsatz haben die Sozialisten noch nicht ganz begriffen. Ihr historisch gewachsenes Mißtrauen gegenüber der Mittelstandspolltik der ÖVP hindert sie daran, nun die ÖVP beim Wort zu nehmen und ihre eigenen — zuletzt im sozialistischen Wirtscbafts-programm verkündeten — Thesen zu verwirklichen; ihr Mißtrauen befähigt sie nur, die ÖVP-Tendenz zur Bildung von überregionalen Einheiten durch Kooperationsverträge mit internationalen Firmen wie etwa Siemens zu erkennen und falsch, nämlich im überkommenen Sinn, zu bewerten.

Das Denken an die Partei

Weil sie weder das Hauptproblem noch die dafür angebotene Lösung erkannt haben, befassen sich die Sozialisten also hauptsächlich mit Nebenaspekten. Ein Nebenaspekt ist die Führungsform für die neue, fusionierte Groß-ÖIG. Sozialisten meinen, daß hier ein Machtinstrument entstanden Ist, das ungeheure Machtfülle verleiht — vor allem der in der ÖIG federführenden ÖVP. Die Chance, daß sie selbst einmal in den Genuß dieser Machtfülle kommen könnten, gilt ihnen nur wenig, wieder sind sie grundsätzlich mißtrauisch gegenüber einem Apparat, der nicht politisch, sondern wirtschaftlich programmiert ist. Die Sozialisten wollen die Führung der verstaatlichten Industrie lieber dem Parlament oder einem Ministerium übertragen, also lieber einer politischen als_ einer parteifreien Sach-instanz. Aufsichtrratspräsident Taus sieht die ÖIG demgegenüber als ein

einem internationalen Konzern adäquates Führungsinstrument an. Die ÖIG als Aktdonärsvertreter unterscheidet sich so durch nichts etwa von einem Großkonzem mit 100.000 Kleinaktionären. Die 100.000 Kleinaktionäre etwa von Ford werden ebenso wie die 7 Millionen österreichischen Kleinaktionäre, die letzten Endes die verstaatlichte Industrie wirklich besitzen, in der Firmenleitung repräsentiert. Auch unter den Ford-Aktionären gibt es verschiedene Meinungen über die Führung des Unternehmens, auch sie bilden Parteien und Gruppen, die gegeneinander kämpfen. Letzten Endes geht es aber den Ford-Aktionärs-Parteien immer nur um Ford, nur darum kämpfen sie. In Österreich aber wurde vor noch nicht allzulanger Zeit das Schicksal der ÖIG mit dem Schicksal der Agrarmarktordnung junktimiert...

Als Dr. Taus sein Staatssekretariat antrat, erklärte er, nach dem sechsmaligen politischen Besitzwechsel der verstaatlichten Industrie (Krauland, Waldbrunner, Igler, Pittermann, Weiss, ÖIG) müsse nun eine dauerhafte Lösung gefunden werden, die dem für die österreichische Wirtschaft so wichtigen Industriebereich endlich die so notwendige Ruhe bringe. Es war klar, daß Dr. Taus dabei einen endgültigen „Ausgleich“ mit den Sozialisten meinte, eine endgültige und dauerhafte Einigung auf gemeinsame Ziele, die in einer Sachkoalition zu bewältigen sind (Kampf nur für „Ford“, nur für die verstaatlichte Industrie Innerhalb der ÖIG...). Daß dieses Ziel nur in langwierigen, enervierenden Verhandlungen , mit den Sozialisten zu erreichen war. in Verhandlungen, in denen die ÖVP ein Maximum an gutem Willen und Geduld mit dem chronischen Mißtrauen der Sozialisten aufbringen mußte, war ebenso klar. Bisher lief auch alles recht erfolgversprechend. Der nunmehrige Alleingang der ÖVP ist aber wieder ein gewaltiger Schritt weiter weg vom endgültigen „Auggleich“. In der ÖVP sagt man, man sei zum Alleingang gezwungen gewesen, weil für die Betriebe Gefahr bestehe, die von den Sozialisten nicht erkannt werde. Monatelange Verhandlungen mit den Sozialisten haben zu überhaupt nichts geführt. Jene Sozialisten aber, die die Gefahr und die Qualität der ÖVP-Vorschläge erkannten, hätten aber trotzdem die Verhandlungen und alle Bemühungen um ein gemeinsames Vorgehen sabotiert, weil sie den Erfolg, der zweifellos damit vor allem auch der ÖVP-Ragierung beschiieden gewesen wäre, dieser nicht gegönnt hätten. Um also der ÖVP-Regierung zu schaden hätten die Sozialisten auch nicht gezögert, der verstaatlichten Industrie zu schaden.

Zuwaag bei Wahlen?

Auf der anderen Seite wird argumentiert, die ÖVP hätte sich nur deshalb zum Alleingang entschlossen, weil sie damit ihre wiedergewonnene Handlungs- und Entschlußfähigkeit demonstrieren wollte. So steht nach drei Jahren relativer Ruhe, in der Sachfragen und ökonomische Vernunft im Vordergrund standen, die verstaatlichte Industrie Wiederum im Spannungsfeld parteipolitischer Auseinandersetzungen. Daß die vergangenen drei Jahre für die verstaatlichte Industrie in jeder Beziehung eine Periode der Hoffnung und der Prosperität waren, beweist auch ein Blick auf die Bilanzen: Noch nie war die Ertragslage der verstaatlichten Unternehmen so gut wie eben jetzt. Werden die Pessimisten recht behalten, die schon im Jahr 1966 meinten, die Verstaatlichte sei jene Zuwaag, die noch nach jedem Wahlgang die Feintarierung besorgte? Wird es für die verstaatlichte Industrie Österreichs wieder einen Rückfall in die politische Ideologie geben?

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