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Start für die „Aktion Kreisky“

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Bruno Kreisky macht Ernst. Der neue Vorsitzende der SPÖ hat in den ersten Monaten seit semei Wahl zum ersten Mann des österreichischen Sozialismus bewiesen, daß er bereit ist, neue Wege zu gehen; und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in den „Niederungen“ der konkreten Politik, in dem Bereich also, in dem man Kreisky weniger beheimatet wußte.

Bruno Kreisky geht daran, an der Partei, die vor langer, allzu langer Zeit die Partei der geistigen Auseinandersetzungen, des geistigen Ringens war, die in den langen Jahren der geistigen Verdorrung verkümmerte intellektuelle Lebendigkeit wiederzuerwecken. Diejenigen Sozialisten, die ihrer geistigen Regsamkeit und Unabhängigkeit wegen an den äußersten Rand des österreichischen Sozialismus gedrängt wurden, sollen wieder in die Mitte der Partei geholt werden, der sie zwar organisatorisch, aber nur n<?eh in beschränktem Umfang de facto verbunden waren. Und neben dieser Versöhnung mit den innerparteilichen Kritikern der sozialistischen Praxis aus der Ära vor Kreisky versucht dieser den Vorstoß in Kreise, die in ihrer großen Mehrheit bisher nicht sozialistisch wählten, die ab'er Kreisky für ansprechbar hält. Hier wird es sich zeigen, ob die weitgehend versteinerte Funktionärshierarchie vor allem der Wiener SPÖ eine Politik mitmachen will und kann, die weniger auf die sicheren Stammwähler und mehr als bisher auf die potentiellen Wähler abgestellt ist.

Schon die Diskussion mit den Exponenten des rechten und des linken Parteiflügels, die deutliche Abgrenzung von einigen Positionen der „Linken“ waren ein Indiz für den neuen Weg: Kreiskys Vorgänger hätte sich weder der parteiinternen Opposition in aller Öffentlichkeit gestellt, noch hätte er klare Standpunkte bezogen. Auch die betonte Forcierung des Gespräches mit den Katholiken unterschied sich wesentlich von der Ära Pittermann, in der dieses Gespräch zwar nicht abgewürgt, aber (zumindest nicht in den letzten Jahren) nicht gerade gefördert wurde.

In der vergangenen Woche berief dip SPÖ die erste „ökonomische Versammlung“ ein, die das sozialistische Zentralorgan hymnisch eine „eindrucksvolle Manifestation der intellektuellen Kraft der sozialistischen Bewegung“ nannte. Sozialistische Wirtschaftsexperten referierten über die verschiedenen Gebiete der aktuellen Wirtschaftspolitik, und bereits Mitte Mai sollen konkrete Konzepte für eine sozialistische Wirtschaftspolitik vorliegen.

Damit hat die SPÖ auch im wirtschaftspolitischen Bereich den Versuch gestartet, von einer gewissen „Hausmeisterpolitik“ wegzukommen. Die Mentalität eines vordergründigen Utilitarismus '„Was nützt das uns?“) soll über Bord geworfen werden. Das beißt natürlich nicht, daß hinter dem neuen Vorstoß Kreiskys kein parteipolitisches Motiv stünde — aber das ist im politischen Bereich kein Handikap, sondern eine Selbstverständlichkeit. Und dennoch liegt in der durchaus legitimen Motivierung die Gefahr, daß die Wissenschaft für die Politik ganz einfach zu einer „neuen Masche“ wird, die nur einer Besserung des „images“ dient. In dieser Gefahr findet sich die „Aktion Kreisky“ brüderlich vereint mit der „Aktion 20“.

Einige der Referenten ließen Töne anklingen, die aus dem Munde sozialistischer Wirtschaftstheoretiker besonders beachtenswert sind. An Tabus, Mythen und Dogmen der Vergangenheit wurde kräftig gerüttelt. So stellte einer der linken Neutöner fest, es sei unvernünftig und unrealistisch, das Eindringen von ausländischem Kapital generell abzulehnen und zu bekämpfen. Eine solche pragmatische Haltung, welche die Zahl der starren wirtschaftspolitischen Prinzipien, die in der Vergangenheit auf sozialistischer Seite nicht gerade dünn gesät waren, auf ein Minimum beschränken will, erinnert nicht zufällig an bestimmte Tendenzen in der ÖVP; nicht zufällig deshalb, weil der Abbau orthodox-freiwirtschaftlicher Vorstellungen auf der einen, orthodox-planwirtschaftlicher Vorstellungen auf der anderen Seite einer weltweiten Tendenz in der Wirtschaftspolitik entspricht. Überall sind die Dogmatiker im Rückzug — in den USA ebenso wie in der Sowjetunion. Das kleine Österreich kann sich diesem Trend nicht verschließen.

Die ÖVP (oder besser: ein Teil der Regierungspartei) hat diesen Trend zutr unorthodoxen, unmittelbar zweckorientierten Wirtschaftspolitik früher für sich zu nützen verstanden als die SPÖ. Doch die SPÖ schickt sich an, diese Entwicklung naöhzuvollziehen. In einem Kommentar zur „ökonomischen Versammlung“ wurde konstatiert, daß der von einem Referenten der Versammlung vorgelegte Katalog struk-turpolitisöher Maßnahmen „sich fast punkteweise mit den Konzepten des ehemaligen Staatssekretärs und nunmehrigen ÖIG-Präsidenten Taus zu decken scheint“. Das ist jedoch mehr als ein „Abschreiben“: Die junge Garde der sozialistischen Wirtschaftstheoretiker hat solche und ähnliche Konzepte einer „pragmatischen Mitte“ nicht erst heute ausgearbeitet. Aber bisher wurden sie parteioffiziell kaum zur Kenntnis genommen. Sollte sich das nun wirklich ändern, und zwar nicht nur für „image“-Zweck:\ für eine einzige, propagandistisch groß herausgestellte Veranstaltung, so wäre das ein echter Erfolg für Kreisky und den neuen Kurs.

„Eine sozialistische Alternative zur Wirtschaftspolitik der Regierung Klaus“ hieß das Motto der ersten „ökonomischen Versammlung“. Viel war von der Krise der österreichischen Wirtschaft die Rede, und die Kommentare der sozialistischen Presse malten das Gespenst einer auf wirtschaftspolitischem Sektor völlig versagenden Regierung an die Wand. Daß die SPÖ die Situation unserer Wirtschaft schwärzer malte als es offenbar den Tatsachen entspricht, ist ebenso verständlich wie die scharfe Zurückweisung eines solchen „Krisengeredes“ durch die Regierungspartei. Der betonte Pessimismus zählt ebenso zur Funktion der Opposition wie der betonte Optimismus zur Funktion der Regierung. Die Tatsachen dürften wohl irgendwo in der Mitte liegen.

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