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Fragen nach der kulturellen Identität Europas.

In vielen - wichtigen und weniger wichtigen - politischen Debatten wird gegenwärtig die Frage nach den Werten und der kulturellen Identität Europas aufgeworfen. Eine umfangreiche Publikation, die man durchaus als Handbuch bezeichnen könnte, beschäftigt sich aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Aspekten mit aktuellen Problemen, beispielsweise mit der europäischen Verfassung, insbesondere ihrer Präambel und der Fragestellung nach der Formulierung eines Gottesbezugs.

Auch nach den Grenzen der Erweiterbarkeit der Europäischen Union wird geforscht. Natürlich ist eine mögliche Mitgliedschaft der Türkei der Dreh- und Angelpunkt dieser Diskussion. In diesem Zusammenhang ergibt sich wie von selbst eine besondere Aufmerksamkeit für die abendländische Identität Europas. Die notwendige Neubestimmung des Verhältnisses zwischen unserem Kontinent und den Vereinigten Staaten von Amerika ist in einem solchen Werk unumgänglich und wird nicht ausgespart.

Der interessierte Europäer weiß, dass die bekannten Gegenwartsdenker Jacques Derrida und Jürgen Habermas für eine "Wiedergeburt Europas" plädieren. In diesem Buch kann man mit- und weiterdenken. Relevant sind aber auch die rapiden Modernisierungsprozesse außerhalb Europas und nicht zuletzt die verdrängten und nicht zu verdrängenden Fragen der Schattenseiten der europäischen Geschichte, seien es die todbringenden Totalitarismen im letzten Jahrhundert oder die europäische Intoleranz allem Nichtweißen und Nichtchristlichen gegenüber, wobei hier die oftmals fragwürdige Stellung und der nicht selten unduldsame Zugang der Kirchen unseres Kontinents nicht zu übersehen ist. Die Autoren des Buchs bieten zu allem kein geglättetes oder verschönendes Bild. Die Ergebnisse sind für anspruchsvolle Leserinnen und Leser im Wesentlichen akzeptabel.

Die Herausgeber Hans Joas und Klaus Wiegandt haben nicht einmal die Auseinandersetzung mit dem Thema des Kampfs der Kulturen in der Zeit der Globalisierung gescheut. Die Berliner Islamwissenschafterin Gudrun Krämer schreibt zum "Wettstreit der Werte" und verfasst "Anmerkungen zum zeitgenössischen islamischen Diskurs".

Erwähnt sei, dass die Autoren für ihre Gedankengänge eine verständliche Sprache gefunden haben, was in einem Gelehrtenwerk nicht selbstverständlich ist. Insgesamt basiert das Buch auf dem Kolloquium der Stiftung "Forum für Verantwortung", das Ende März 2004 im Saarland abgehalten wurde. Die Beiträge haben sechzehn Wissenschafter verfasst, die an Universitäten zwischen Berlin und Harvard lehren.

Dieser umfassende und zuverlässige europäische Leitfaden sei nachdrücklich zur kritischen Lektüre sowie zum Be- und Nachdenken empfohlen.

Die kulturellen Werte Europas

Hg. von Hans Joas und Klaus Wiegandt

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005

522 Seiten, kart., e 14,30

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