Mauern, elektrische Zäune, Überwachungskameras und Grenzhunde zwischen Israel und den Palästinensergebieten? Während Deutschland den 40. Jahrestag des Berliner Mauerbaus begeht, der Wahnsinn dieser zementierten Teilung einer Nation in Erinnerung gerufen wird, aber auch die Freude über den Fall der Mauer zum Ausdruck kommt, sehen israelische Politiker in einem Mauerbau die Lösung des Nahostkonflikts.
Laut einer Umfrage der Tel Aviver Universität befürwortet fast jeder zweite Israeli die Losung: "Wir hier, die dort", und jeder Anschlag palästinensischer Extremisten vergrößert die Zahl derer, die nur mehr durch die einseitige Separation Israels von den Palästinensergebieten ein Ende der Gewalt für möglich halten. Israels Staatspräsident Mosche Katsav und der frühere Premier Ehud Barak fordern schon das Kappen aller Verbindungen und vom jetzigen - ansonsten für sein kompromissloses Vorgehen gefürchteten - Premier Ariel Sharon heißt es, er stehe dem Mauerbau nur noch aus einem einzigen Grund skeptisch gegenüber: Er will jüdische Siedlungen, die hinter der Demarkationslinie liegen würden, nicht aufgeben.
Der Griff Israels in die Mottenkis-te und das Herausziehen des zweitältesten Konfliktlösungsmodells (das älteste heißt Dreinhauen, und wenn das nicht zum Erfolg führt, kommt seit jeher die scharfe Grenzziehung) zeigt nur, wie sehr sich Israel selbst ins politische Aus gespielt hat. Zur Erinnerung: Die Israelis haben mit großer Mehrheit den Falken Sharon und dessen Politik der Härte gewählt. Die Rechnung bekommen sie jetzt - keineswegs überraschend - von einem Selbstmordattentäter nach dem anderen präsentiert.
Hinzu kommt, dass Israel sein Ansehen in der Weltöffentlichkeit nach und nach selbst zerstört. Wer Terroristen mit Terrormethoden jagt, wird selbst zum Terrorstaat, und die einmal vorhandene Achtung vor dem kleinen, tapferen David weicht immer mehr der zunehmenden Ächtung des rücksichtslosen Goliaths, als der sich Israel mehr und mehr präsentiert. Suchte Israel jetzt auch noch hinter einer Mauer Zuflucht, wäre das fatal: Denn nur Unrechtsstaaten brauchen eine Mauer - das sollte die Geschichte am Beispiel Deutschlands gezeigt haben.
E-Mail: w.machreich@styria.com
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