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Kleine Plauderei über Jas Reiten

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Du sollst nur edle Pferde reiten. Wähle dein Pferd wie einen Freund) denn du sollst es lieben. Und wie du deinen Freund nur unter den Vornehmsten und Besten wählen wirst, so wähle dein Pferd.

Du sollst dein Pferd im Geiste vor dir sehen, noch bevor du es zu dem deinen machst.

Das Pferd ist dein Spiegel. Es schmeichelt dir nie. Es spiegelt dein Temperament. Es spiegelt auch seine Schwankungen.

Ärgere dich nie über dein Pferd; du könntest dich ebensowohl über deinen Spiegel ärgern.

Du sollst nicht schlechter reiten, als du kannst. Die meisten Menschen reiten noch schlechter, als sie können. Alle ihre Launen, .ihre Verdrießlichkeiten, ihre schlechten Geschäfte und ihren Ärger über sich selbst, lassen sie am Pferde aus — wenn sie es auch oftmals nicht wissen.

Sie reiten auf schlechten Wegen schlechter als auf guten, obwohl die Steine nur das Pferd fühlt. Sie hängen bei Sturm und Regen wie nasse Säcke schief und schlottrig zur Seite, sie reiten allein schlechter als mit andern, die sie beobachten könnten.

Auf dem Pferde ist das Wetter immer besser als auf dem Wege.

Höre, da dich das Pferd trägt, nur auf das Pferd. Das Pferd ist der beste Reitlehrer. Es ist der Meister, der straft und lohnt: er verschließt sich dir, wenn du auf andere Lehren hörst als die seinen. Lerne vom Pferde.

Reiten ist erst dann eine wahre Freude, wenn du durch eine lange Schule der Geduld, der Feinfühligkeit und der Energie gegangen bist, die dir das Pferd erteilt. •

Lies nicht in Reitvorschriften und lerne nicht von Bereitern. Sie verstehen nicht mehr als ihr Handwerk. Reiten aber tot

kein Handwerk, sondern eine Kunst.

Reitvorschriften gewöhnlicher Art sind wie Klavierschulen; sie lehren das Reiten als eine Fertigkeit, die man erlernen kann: wie das Nähen und Strümpfestopfen.

Horche in dein Pferd hinein wie in ein kostbares Instrument: wie Ellen Ney in ihren Flügel, wie Busch in seine Geige, wie Barjansky in sein Cello. Das wird dich seltsame Dinge lehren, von denen keine Reitschule, kein Reitlehrer etwas weiß. *

Alle Moral, die dir ein Reitlehrer predigt, kann das süße, zarte Geplauder deines Pferdes nicht ersetzen, wenn es an einem schönen Sommermorgen die ersten Tritte unter dir ins Freie tut, mit fühlenden Lippen vom Gebiß aus am Zügel entlang deine Hand sucht, sie leise erkundet und befragt; wenn es dann neugierig und prüfend mit der feinen Stahlstange in seinem Maul spielt, sie mutwillig ein wenig fortstößt, sich versuchend ein wenig gegenlehnt, um sie dann mit langem Hals, mit aufgerichtetem Genick, freiem Kopf und zartem Zungenspiel aus deiner Hand entgegenzunehmen, wie ein ihm zugedachtes Geschenk, auf das es stolz sein darf. Dann ist dein Pferd glücklich.

Dem Geist der Schwere sollst du felnd sein. Das macht dich dem Pferde leicht. Wenn dein Herz leicht ist, ist es auch deine Hand. Wenn dein Herz leicht ist, treibt es dich vorwärts. Die Schwermütigen, Schwerbeherzten treibt nichts vorwärts.

Vorwärts aber ist alles.

Dem Geist der Schwebe sollst du Freund sein. Der Schwebende ist immer im Gleichgewicht. Bleibe beim Pferd, wie der Vogel auf dem Rücken der Luft bleibt, die 9m trägt. Dies ist das Geheimnis des Vogels, sei es auch deines. Wer schwebt, fällt nicht.

Doch selbst im Falle noch: bleibe bei deinem Pferde. Bleibe wie der Vogel auf der unter ihm wegsinkenden Luft. So wirst du dich besser empfangen finden, als von der Erde, wo immer du sie erreichst.

Aber dein Auge muß offen sein und deine Sinne dürfen dich nicht verlassen. •

Nimm dich in acht: das Pferd errät dich, dich und deine geheimsten Gedanken. Wenn du nicht gesonnen bist, über es zu herrschen, wird es dir nicht gehorchen; wenn du nicht willens bist, stärker zu sein, wird sich die ungeheure Kraft des Tieres auflehnen gegen dich.

Dein Zuruf, dein Zungenschlag, dein Spom, deine Peitsche sollen nicht lügen, du wollest dies und das, und du willst es doch nur halb. Dein Pferd straft dich Lügen.

Wenn du ihm nicht vertraust, wird es dir nicht trauen; wenn du schwankend wirst, wird es eigene Wege gehen.

Wenn du erschreckst, wird es erschrecken; aber es wird mutig und guter Dinge sein, wenn du mutig und guter Dinge bist.

Wenn du unstet bist, ist es unstet. Wenn du nicht immerdar vorwärts willst, wird es langsam werden und am Ende auf der Stelle stehen.

Wenn du ohne Schwung bist, wird es schwunglos sein; wenn du fliegen möchtest, wird es fliegen: kaum, daß die Hufe die Erde zu berühren scheinen.

Ein schwebendes Gebilde aus lebendigem Stahl scheint dich zu tragen. Läßt du dich aber zur Erde ziehn im Geist und im Wollen, so kriecht ein müder Wurm unter dir im Staube.

Dein Pferd weiß um dich: es weiß, ob du gut geschlafen zur Nacht, ob du zerstreut oder gesammelt, ob du fröhlich oder traurig, ob du vertrauend oder in Zweifeln, ob du ans Reiten denkst oder ans Frühstück.

Liebst du den Tanz?

Das Pferd ist ein Tänzer an deiner Hand: ein Tänzer in die Unendlichkeit. Aus dem Schwung, den du ihm mitteilst, folgt die Leichtigkeit, folgt das Schweben. Alle Kraft fühlst du sich unter deinem Sattel vereinigen. Das Land bleibt hinter dir zurück. Die Welt fließt an dir vorüber. Dein Tänzer trägt dich davon. Aus „Gesammelte Werke“, Verlag Rütten und Löning, Frankjurt a. M.

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