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Unterhalte dich gut!

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„Natürlich sollst du gehen - was ist das für eine Frage? - Und bleib nur, so lange du willst, Lieber."

Mit so sanften Worten, deren Helligkeit noch von einem Lächeln dahinter, als Reflektor, verstärkt wurde, ließ sie ihn für diesen Abend. Er war schon auf der Treppe, da öffnete sie abermals die Tür, rief liebevoll: „Unterhalte dich gut!"

Ein vorsichtiger Mann wäre dar- aufhin umgekehrt. Dieser Tollküh- ne stürmte weiter, hinein in das Glück der Solo-Stunden.

Nachdem er aber deren erste Wonnen genossen hatte, fiel Ver- störung über ihn. Es schnitt was sein Inwendiges, als hätte er mit dem Bissen Freiheit, den ihm die Geliebte gegönnt, einen Angelha- ken verschluckt. Er fühlte das Zer- ren der Leine und dachte nach:

„Natürlich sollst du gehen"... .natürlich', das hieß, richtig gehört: dir scheint es natürlich, mich allein zu lassen, aber du hast recht, denn es wäre ja wirklich blanke Unnatur von einem Egoisten, wie du einer bist, auch an den andern zu denken. Und zu ergänzen war die Wendung so: natürlich sollst du gehen, da es dir solches Opfer wäre, zu bleiben... Dieses ,natürlich' war nur an der äußersten Schicht, für ganz ober- flächliche Schmecker, schokoladi- siert und gleich darunter nichts als Bitterkeit.

„Sollst du gehen." Das bedeute- te: Alle Welt möge nur merken, was du für ein Schwein bist. Häufe nur Verrat auf Verrat, es ist gut so, enthülle dich in deiner Schlechtigkeit.Der Zusatz aber: „Was ist das für eine Frage?" hieß, gut verstanden: Daß du nicht einen Augenblick zögerst, mir aufs Herz zu treten, wenn ich dir im Wege bin, ist doch keine Frage. Und in die toleranten Worte: „Bleib, so lange du willst, Lieber" war eingewickelt der Schlager: Laß sehen, wie weit deine Niedertracht geht.

Das ganz Gefährliche aber, die gesprochene Sublimatpille, die dreikantig geschliffene Wendung, die Dumdumbosheit war das hin- terrücksige: „ Unterhalte dich gut!" Das hieß in der Übersetzung: Ver- bringe einen gequälten Abend. Mein Leid stehe zwischen dir und der Freude. Meine Verlassenheit ver- lasse dich nicht. Meine Träne falle in dein Bier. Und versalze dir das Süße. Unterhalte dich gut!

Er stieg tief hinab in den Brun- nen der Meditation, wurde abwe- send.

„Was hast du?" fragte der Kame- rad. „Was beschäftigt dich?"

„ Philologisches... Glaubst du, sie hat sich sehr geärgert, daß ich weggegangen bin?"

„Nein. Geärgert natürlich, aber nicht sehr."

„Warum hat sie mir dann nach- gerufen: .Unterhalte dich gut'?-'

„Das braucht dich nicht zu beun- ruhigen. Das sagen sie immer, wenn man sie zu Hause läßt, alle. Die Meinige sagt es, wenn ich mir die Haare schneiden lasse, sie sagt es, wenn ich zum Zahnarzt gehe, sie würde es noch sagen, wenn man mich zu meiner Hinrichtung abhol- te. Sie wird mir auf den Grabstein schreiben lassen: Unterhalte dich gut!"

„Wie erklärst du dir das? Warum die Bosheit? Sie weiß doch, daß ich mich nicht .unterhalten' gehe. Warum tut sie so, als ob sie das glaubte?"

„Das ist keine Bosheit. Das kommt aus dem Instinkt, aus Bezir- ken unter der Bewußtseinsschwel- le. Nämlich, so denk' ich mir's: die Dauer-Frau, deine wie meine wie jede, fühlt im Unbewußten, daß Ohne-sie-Sein schon an und für sich Unterhaltung ist."

Aus: DAS HEITERE BUCH DER LIEBE.Ein 11 sebuch. Hrsg. von Klaus Waller. Wilhelm Hey- ne Verlag, München WO. 382 Seiten, öS 68,64'-

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