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Auf dem Veitsberg

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(15. Fortsetzung und Schluß)

„Ja, Schwämme suchen“, antwortete ich.

Er stieß das Boot am Ufer ein Stück hinauf. Wir gingen inzwischen am Strande weiter. Agnes hatte sich auf der einen Seite eingehängt, Maria auf der andern. Ich kam mir wie der verlorene Sohn vor.

Als der Fischer die Stelle zur Abfahrt erreicht hatte, rief er uns herbei, wir stiegen ein und fuhren auf den abendlichen Strom hinaus. Maria fürchtete sich ein wenig und drängte sich an mich, Agnes war es gewohnt und tat sehr kühn.

Wir stießen auf den Sand und sprangen heraus, verabschiedeten uns vom Fährmann und gingen auf den HügeL

Als wir oben ankamen, war gerade Zeit zum Gebetläuten. Wir traten alle drei in die Kirche. Agnes begann, nach dem ersten Absetzen ergriff Maria den Strick und läutete weiter; dann kam ich an die Reihe. Gleich beim Eintreten hatte ich gesehen, daß St. Laurentius und Stephanus wie eh und je auf ihren Plätzen neben dem heiligen Veit standen. Darüber war ich sehr glücklich.

Im Hause mußte ich erzählen. Aber, was sollte ich sagen? Agnes wollte Abenteuer hören, ich konnte ihr aber meines nicht sagen, so erzählte ich wie groß der Wald ist, wie die Hirsche abends auf die Waldwiese kommen und wie ich auf Stellen war, wo jahrelang kein Menschenfuß gegangen. Maria brachte zu essen. Ich aß langsam und dankbar. Agnes wollte nicht Schlafengehen. So saß sie hei uns, bis sie einschlief. Maria trug sie ins Bett.

Wir blieben noch lange wach und hatten uns viel zu sagen. Mir war, als hätte ich Maria jetzt erst gefunden.

„Ich möchte mit dir rtodi ins Freie gehen“, bat mich Maria.

Hand in Hand gingen wir auf die Wiese, die ich'gemäht hatte und setzten uns mit dem Gesicht zum Srom, der dunkel und mäduig vorbeifloß. Die untergehende Mondsichel erhellte ein wenig die Nacht. Maria hielt meine Hand fest in der ihren.

„Wie war es da drüben?“ fragte sie und wies auf die schwarzen Waldberge über der Donau. ,

„Ich habe bloß in mein Herz gesehen und ich bin erschrocken. Ich bin so in Schuld, Maria.“

Sie drückte meine Hand ganz fest und sagte unter Tränen:

„Ich halte es nicht aus, wie du dich verdemütigst. Ich komme dir nicht nach. Es tut mir weh, daß du alle Schuld auf dich nimmst.“

„Maria, ich war dran, dich zu verlieren. Ich habe dich wiedergefunden. Meine Liebt ist durch das Fegefeuer des Zweifels gegangen, aber ich glaube, sie ist geläutert. Als du ein Mädchen warst, hab ich dich anders geliebt.“

Als sie dieses Wort hörte, horchte sie auf. Ich fuhr fort:

„Aber jetzt ist meine Liebe inniger und reifer.“

Da küßte sie meine Hand, und ich spürte, wie die Tränen über ihre Wangen rannen.

Da stand ich auf und zog sie an mich. Und sie barg ihr Haupt an meiner Schulter. ' '' • * .'■

Die nächste Sorge betraf die Pichler-familie. Zu dritt gingen wir sie besuchen. Die Pichlerin war mürrisch und klagte über die Kranke. Als ich mit dieser allein war, sagte ich: . ,

„Ich glaube, es wäre für alle das Beste, wenn Sie sich entschließen könnten, ins Spital und dann in eine Heilanstalt zu gehen. Der Mutter wird es auf die Dauer zu viel. Und Agnes könnte bei ihr auf dem Veitsberg bleiben, wenn wir fortgehen.“

Sie hatte Bedenken, vor allem wegen der Pichlerin, doch ich sagte, ich würde es ihr schon beibringen. Sie versprach mir, wenn die Mutter einverstanden wäre, zu folgen.

Die Pichlerin machte bloß den Einwand wegen der Kosten^ Sie hatte Angst, das Häusl würde dabei draufgehen. Die Ärzte seien die gleichen Blutsauger wie die Advokaten. Ich wollte mich selber umsehen, ich hätte Bekannte. Zu Hause könnte man der Tochter doch nicht helfen, und dieser schwebende Zustand könnte jahrelang dauern. Auch ich müßte langsam ans Wandern denken.

„Und mit Ihrer Frau ist alles wieder richtig?“ fragte sie. . „Ja“

„Es war doch gut, daß Sie nicht zu saufen angefangen haben. Mein Alter hat zu viel getrunken, das hat ihm die Leber verbrennt. Sonst hat er auch Ihr Temperament gehabt.“

„Meine Frau hat leider zu wenig von Ihrem Temperament, sonst hätte sie mich immer fester in den Händen gehabt.“

Ob ich auch wieder kommen würde, wenn ich in der Stadt wäre.

„Freilich, oft und gerne, schon wegen Agnes.“

„Vor Weihnachten wird Susi so weit sein. Da können sie zum Sautanz kommen.“

„Das nicht. Ich würde kein Stück von ihr hinunterbringen. Ich komme lieber später.“

„Da war mein Alter anders, der hat die Schweine immer selber gestochen.“

Die Abreise hat sich aber doch noch einige Zeit hinausgeschoben. Es waren wunderbare Tage, ich war froh über jeden, den ich bleiben durfte. Das Wasser der Donau wurde grün“ und klarer als je einmal. Die Luft war so durchsichtig, daß ich die einzelnen Bäume am Waldrand jenseits 'der Donau wahrnehmen konnte. Nach der Plackerei der Vergangenheit hatte ich jetzt nichts zu tun. Den Haushalt führte Maria, wobei ihr Agnes mit großen Worten beistand. Ich bemühe mich um die Orgel. Ich möchte sie noch gerne fertigbringen. Das Lesebuch benütze ich jetzt weniger. Ich lese viel im lateinischen Buche. Min müßte es auswendig können und die Sprüche immer lebendig im Herzen tragen; Mit Freude betrachte ich die beiden heimgekehrten Märtyrer.

Am Sonntag waren wir zu dritt in der Kirche. Ich hatte bessere Kleider angezogen und mir die Haare schneiden lassen, so daß mich Agnes einmal ums anderemal verwundert ansah. Die Kirche war hell und groß, die Altäre nicht so alt wie die in der Veitskirche. Maria hatte sich nicht von mir trennen wollen und so saßen wir alle auf der Männerseite, mitten unter den Bauern. Die Predigt war kurz, bei den Liedern hätte ich gerne mitgesungen.

Nach dem Gottesdienst gingen wir auf den Friedhof, der ein Stück über der Kirche liegt. Auch andere Leute waren zu ihren Gräbern gegangen. Zuerst stellten wir uns an das Grab des Veit. Der Hügel war noch frisch. Wir standen schweigend nebeneinander. Dann gingen wir zum Grab der Rosl. Als ich mir vorstellte, wie dieser herrliche Leib armselig in der Erde liegt und zerfällt, wurde ich traurig. Um so mehr klammerte ich mich an den Gedanken der Wiedergeburt und Auferstehung. Mag mein Leben nicht wert sein, für die Ewigkeit aufbewahrt zu werden, aber Veit und Rosl müssen dort die unverwelklichen Kronen empfangen. Auf dem Heimweg hat Maria viel nach Rosl gefragt und es bedauert, daß sie sie nie gesehen hat.

Als wir durchs Dorf kamen, läutete ich beim Pfarrer. Da er mehrere Leute bei sich hatte, machte ich es kurz. Ich sagte ihm. daß ich meinen Kirchendienst bald aufgeben würde, und das sei meine Frau. Er schüttelte ihr lange die Hand und sagte: „Ich freu* mich, Sic kennenzulernen^ Es ist gut, et ist gut.“

Dann gingen wir heim. Die Mutter der Agnes ist ins Spital gebracht worden. Die Pichlcrin bemüht sich noch, den Schwiegersohn bei seinen Gesdiwistern unterzubringen, sie will ihn loshaben. Dann kommt sie heim. Wir sind daran, unsere Zelte ab-zubrechen. /

Die Orgel habe ich fertiggebracht. Das war eine Freude, als idi darauf spielte und mit Maria die alten Lieder unserer Jugend sang.

Ende

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