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Blanche Auhry
Blanche — es ist spät geworden, ich sitze noch herum bei mir zu Hause und weigere mich — wie ich merke — seit über einer Stunde, mir zu überlegen, was ich morgen anziehen werde zu Deiner Verabschiedung. Eigentlich habe ich das Gefühl, ich sollte Dich anrufen und fragen. Ich sehe Dich die Augen verdrehen und höre Dich einen Deiner besonders direkten Sätze sagen. Indirekte sagtest Du übrigens selten.
Ich höre Dich lachen und sehe Dich das Gesicht verziehen.
Handbewegungen sehe ich, flatternde und zärtliche, Achselzucken, stummes Zunicken über Kantinentische und Kantinenwirbel hinweg. Hände in den Hosentaschen, Hände über beiden Ohren, Hände um ein Glas gelegt, Hände im Schoß.
Gespräche mit vielen Pausen haben wir miteinander geführt, wenn wir „übergeblieben“ sind nach einer Danton-Probe zum Beispiel, mit hochgezogenen Schultern bist Du mir gegenüber gesessen, immer ein bißchen wie frierend sahst Du aus, immer ein bißchen wie nicht zu Hause. Wie ein fremdes Kind warst Du, das sich von Zeit zu Zeit immer wieder sehr bemüht hat, mit den anderen Kindern zu spielen.
Obwohl diese anderen Kinder eine Dir wahrscheinlich immer schwer verständliche Sprache sprachen, schwer und klobig und unelegant im Vergleich zu Deinem halb schrillen, halb schnurrenden Zwitschern, mit dem Du Dein tapferes Traurigsein für kurze oder längere Zeit unterbrachst.
Ich hab mir erzählen lassen, wie Du Dich geschminkt hast: schnell, fast uninteressiert, gekonnt, großzügig und genau zugleich, mit dem wissenden Mut eines großen Clowns.
Ich hab Dich während unserer Japan-Tournee müde und schon nicht mehr gesund Deinen Weg zur Bühne tasten sehen, ratlos und widerwillig sahst Du aus in Deinem Glitzerkostüm der Jenny aus der Dreigroschenoper, aber wenn der Vorhang aufging und die Scheinwerfer Dich trafen ...! Makellos, hochprofessionell die Droge .auftritt vor Publikum“ handhabend mit souveräner Einsamkeit, mit letzter Preisgabe an den Abend.
Nach Deinem A bgang, hinter der Bühne, haben wir Dich manchmal an der Hand genommen, um Dich die ungewohnten Wege zur jeweiligen Garderobe zuführen, erschöpft und verloren hast Du Dich dafür mit einem. Kopfnicken und manchmal einem Lächeln bedankt.
Eine Könnerin warst Du, eine Kostbarkeit, nie wirklich zu Hause hierzulande.
Behalte Deinen Humor, wenn wir uns auf der Feststiege des Burgtheaters von Dir verabschieden. Du gabst uns die Ehre, unser Mitglied zu sein.
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