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Alex, der Jubilar

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Wie gratuliert man einem Kollegen, der es vierzig Jahre beim Theater ausgehalten hat, zu eben diesem Ereignis?

Lieber Alex, lieber Kollege Alexander Trojan, als ich vor einigen Wochen erfuhr, wir beide würden Partner in einem der drei Schnitzler-Einakter, die das Burgtheater zu Ehren Deines Jubiläums ansetzt, da dachte ich, mein Gott, acht Wochen Proben mit dem Trojan, das heißt acht Wochen meines Lebens mit dem Trojan leben, wie ist der eigentlich, wir haben nie miteinander gearbeitet, als uneitel und wortkarg ist er nicht verschrien, jubilierend ist er auch, vielleicht wird's mühsam?

Als ich heute morgen in das Akademietheater kam und einen Moment lang im dunklen Zuschauerraum stehenblieb und mir die fertig aufgebaute Dekoration unseres Einakters „Die Gefährtin“ besah, stand mitten unter den Technikern und Bühnenarbeitern der Jubilar. Das schlohweiße Haar, das ich noch blond kenne, glänzt im Licht der Probenscheinwerfer, wie immer ist er tadellos angezogen, heute kamel-haarfarbene Hose und dunkelbrauner Lumberjack („fünf Kilo hab' ich abgenommen, Elisabeth, hat mich aber auch einiges gekostet“), - ich merke, wie sein Blick sich in einen Klavierhocker auf der Bühne bohrt. Wichtiges wird sich um ihn herum abspielen, um diesen Hocker, später, im Stück und ich seh' Alex den Kopf schütteln. Der Hocker scheint ihm nicht zu passen. „Sagt's Kinder, ist der Bühnenbildner irgendwo?“ „Na, Herr Trojan, der kummt erst in drei Tagen.“ Achselzucken und Nicken von seiner Seite, er geht ein paar Stellungen ab, prüft Plafond und Spitzenvorhang. „Kan ich schon echte Kerzen haben heut', ich möchte die Scherereien mit dem Wachs nicht erst bei der Hauptprobe!“ ES wird ihm bestätigt, daß echte Kerzen von der Behörde schon für heute genehmigt worden sind, er nickt zufrieden, er hat schon länger vorgebaut wegen der Kerzen, er kennt sich aus, ist ein Profi. Entdeckt mich im Zuschauerraum, winkt mir zu („Servus, mein Schatz, wie geht's dir heute?“), verteilt dosiert andere Guten-Morgengrüße mit bestens artikuliertem „r“ und trägt seine Probenbeginnervosi-tät noch einmal von der Bühne.

Lieber Alex, ich mochte Dich vor unserer ersten gemeinsamen Arbeit nur mit Unterbrechungen, ich fürchtete Deine scharfe Zunge und Deine Suada und kannte Dich gär nicht. Seitdem ich Dich in diesen vergangenen Wochen ein wenig besser kennenlernte, mag ich fast alles: Ich mag Deine Freude darüber, daß Du den Text zu Probebeginn konntest und als Ältester des Schnitzler-Ensembles damit allen anderen Kollegen voraus warst (und ich mag auch Deine kleinen Aufstampfer mit manchmal beiden Füßen zugleich, wenn Du trotzdem hängst), ich mag Deine Arbeitsintensität, ich mag die Vorfreude, die um Deine Nasenlöcher - pardon, Nüstern - spielt, wenn Du mich fragst, wie Du den frischen Lachs mittags braten sollst und den freundlich-zynischen Triumpf, mit dem Du mir am nächsten Morgen erzählst, wie sehr der Lachs im... war, ich mag Deine Konzentration vor Probenbeginn, unseren so verstohlenen Blick nach der Uhr, auf der es nicht und nicht Probenende werden will, Deine Unermüdlichkeit im Ausprobieren, Deinen Stolz auf Deinen prachtvollen Schnurrbart, den Du Dir extra für die Rolle stehen läßt, Dein zerknittertes, besorgtes Gesicht über dem morgendlichen Kaffee in der Kantine, wenn Du Dich über ein berufliches Mißgeschick Deines Sohnes aufregst. Deine Bereitschaft, Neues zu finden und das Gefundene unter Umständen auch als falsch zu erkennen, Deine kleinen Verzweiflungen, wenn Du Gefundenes verloren zu haben meinst und Deine verlegen zerredete Freude über ein Lob.

Mögest Du die Lust an allem noch lange, lange nicht verlieren.

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