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Schicksalhafte Nacht

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HUBERTUSNACHT. Erzählung. Von Werner Bergeng ruen. Verlag der Arche, Zürich. 83 Seiten. Preis 4.80 fFr.

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HUBERTUSNACHT. Erzählung. Von Werner Bergeng ruen. Verlag der Arche, Zürich. 83 Seiten. Preis 4.80 fFr.

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Mit Werner Bergengruen, der vor kurzem starb, hat die deutsche Literatur einen bedeutenden Dichter verloren. Sein umfangreiches Werk fand nicht nur wegen seines hohen künstlerischen Ranges, sondern auch wegen seines ethischen und religiösen Gehalts so viele Bewunderer. Dankbar empfanden sie die tröstende, aufrichtende Kraft, die von den Büchern dieses noblen und liebenswerten Autors ausging. Bergengruen war vor allem ein Meister der Novelle — auf diesem Gebiet einzigartig in der deutschen Dichtung der Gegenwart —, hat er, anknüpfend an die große Tradition dieser literarischen Kunstform, seinen vielen Novellen jenen Bezug auf die ewige transzendente Wertordnung gegeben, den er die „metaphysische Pointe“ nannte. Sein Erfindungsreichtum, seine vitale Erzählerbegabung ist von einem strengen Formwillen gebändigt, so daß die „unerhörte Begebenheit“, die zum Wesen der eigentlichen Novelle gehört, klar und überzeugend hervortritt.

Auch das vorliegende Werk zeigt die Vorzüge von Bergengruens Erzählkunst und die Hintergründigkeit des Gleichnishaften. Adam Kosinski, ein polnischer Edelmann, dem von den königlichen Behörden schweres Unrecht zugefügt wurde, schließt sich einer Verschwörung gegen König Stanislaus August an. Am 3. November 1771, in der Hubertus nacht, wird in Warschau die Karosse des Königs von einem Trupp der Verschwörer überfallen und der König mit roher Gewalt als Geisel entführt. Da aber Finsternis und Nebel herrschen, können die Männer ihre Pläne nicht mehr ausführen; gezwungen, den Verfolgern auszuweichen, reiten sie in die Irre, einer nach dem anderen macht sich davon. Der König wird nur mehr als Ballast empfunden, dessen man sich entledigen will. Kosinski soll ihn töten. Als er mit ihm allein ist und Licht schlägt, sieht er zum erstenmal das Gesicht seines Gefangenen. Er wird von der Schönheit des Königs und der Hoheit, die von ihm ausgeht, plötzlich so überwältigt, daß sein Haß in Ehrfurcht umschlägt und er den Monarchen in Sicherheit bringt.

Was Kosinski erlebt, ist, wie der Dichter sagt, mehr als Adel der Majestät und Schönheit, „es ist ein Geheimnis, das in die Unbeschreib- lichkeit gehört“. Das Geschehen wird, obwohl historisch fixiert, von Bergengruen in das Sinnbildhafte erhöht und mit der Legende vom hl. Hubertus in Zusammenhang gebracht. Der Erzähler schließt mit der Erkenntnis, „daß ja alle irdische Schönheit, diese Schönheit im Unvollkommenen, nichts anderes ist denn ein Abbild der überirdischen Gnade als der Schönheit im Vollkommenen“.

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