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Alternativkomplex?
Im Zeichen des Budgets stand die erste Woche der Herbstsession des Nationalrates. Die Regierungspartei präsentierte sich leiaht angeschlagen. Sogar der sonst so souveräne Withalm wirkte blasser als gewohnt. Der für alle Beobachter unerwartet schwere Rückschlag, den die ÖVP bei den verschiedenen lokalen und regionalen Wahlen einstecken mußte, drückte auch dem Auftreten der Volkspartei im Parlament seinen Stempel auf. Anders die Opposition. Die parlamentarischen Aktionen von Kreisky und Pittermann zeigten das wachsende Selbstgefühl der Sozialisten.
Von Bruno Kreisky stammt das Wort vom „Alternativkomplex“, an dem die parteiungebundene Publizistik in Österreich leide — an der Vorstellung, die Opposition dürfe sich nicht darauf beschränken, die Regierung zu kritisieren, der Kritik müsse auch ein Gegenvorschlag folgen. Was hat der Vorsitzende der Sozialistischen Partei damit gemeint? Wie soll sich diese Absage Kreiskys an den „Alternativkomplex“ auswirken? Gewiß, man kann von der Opposition nicht verlangen, daß sie einen Budgetgegenentwurf anbietet. Dafür fehlt einer Oppo-
sitionspartei ganz einfach der mächtige Apparat der Bürokratie, von dem die Hauptarbeit bei der Budgeterstellung geleistet wird. Man wird auch nicht erwarten dürfen, daß sich die SPÖ viel Mühe mit der Ausarbeitung von Alternativen macht, solange der Trend sich fast automatisch gegen die Regierungspartei richtet. Aber eines kann man von einer großen demokratischen Opposition fordern: daß sie aufzeigt, welche Prioritäten sie verändern würde; daß sie sagt, wo ihre Versuche, ihre demokratischen Konkurrenten an Leistung zu übertreffen, einsetzen würden; daß sie zu einer überzeugenden und glaubwürdigen Linie findet.
Alternativen in diesem Sinn wird die Opposition bieten müssen. Denn es ist nicht zu erwarten, daß der Wählertrend zur SPÖ von sich aus, automatisch, auch dann anhält, wenn die ÖVP mit Blickrichtung auf 1970 zu populären Maßnahmen übergeht. Den Sozialisten wird die Opposition in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich niemals mehr so leicht gemacht werden wie gerade jetzt. Deshalb muß die Opposition mit aller Kraft in den Leistungswettbewerb einsteigen.
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