6857901-1977_23_09.jpg
Digital In Arbeit

Die Treue ist nicht überholt

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn heute die Brautleute vor dem Priester versprechen, alle Tage ihres Lebens dem Partner die Treue zu halten, so bleibt dennoch offen, wieweit hier noch aus innerer Überzeugung gesprochen ward. In unserem Jahrhundert ist die patriarchalische Ordnung durch eine partnerschaftliche abgelöst worden, worauf auch die Frau, auf ihre Gleichberechtigung pochend, den Anspruch auf absolute Treue erhob. Damit sei nach Meinung mancher Psychologen die Ehe in eine ausweglose Situation gebracht worden. So faßt Ernst Eli, ein deutscher Psychologe, vormals durchaus auf katholischem Boden stehend, dies in die Formel: „Verlangt eine Ehe die Treue, so ist die Dauer beschränkt; verlangt eine Ehe Dauer, so kann man keine Treue verlangen; verlangt eine Ehe Dauer und Treue, so überfordert sie die meisten Menschen, und gerade die lebendigsten.“ Um der Verödung der Ehe also zu entrinnen, schlägt er vor, neben gesetzlosem Zusammenleben zweier geschlechtsverschiedener Personen, nebenehelicher Freundschaft, vor allem die „polygyne“ Ehe (ein Mann mit mehreren Frauen), die „polyandre“ Ehe (eine Frau mit mehreren Männern), die lesbische und die homophile Ehe und die Gruppenehe populär zu machen. Dabei werde die Treue zugunsten der als scheinbar unschätzbaren Wert erkannten Dauer aufgegeben.

Die Ansichten Ells mögen zunächst bestechend klingen, wenn er unter dem Ziel, die Ehe vor der Scheidung zu retten, gelockerte Formen vorstellt. Doch ist es nicht notwendig, einen Schritt hinter die Kulissen zu tun und nach den Gründen zu fragen, die die Treue heute ad absurdum zu führen scheinen? Das ist dem Institut für Ehe und Familie (IEF) in seinem jüngst erschienenen Informationsblatt gelungen, mit dem eine neue Publikationsreihe begonnen wurde. Darin wdd das Problem der ehelichen Untreue aus psychologischer Sicht von Dr. Karl Stifter als auch aus theologischer Sicht von Pater Alois Jäger S J beleuchtet.

Es gilt zu bedenken, daß es im Zeitalter des Massenkonsums für viele selbstverständlich geworden ist, auch Partner und Partnerin in Massen zu konsumieren. Man gewinnt dadurch zwar einen gewissen Überblick, sammelt aber nur oberflächliche Erfahrungen von geringem Wert. Wer also mehr gewinnen möchte, muß in die Tiefe gehen und bereit sein, auf andere Möglichkeiten zu verzichten. Er muß, wie P. Jäger betont, auswählen können. Treue ist somit die Voraussetzung dafür, daß sich einem ein anderer schenken, anvertrauen und zu erkennen geben kann.

Der Mensch bedarf eines Raumes der Sicherheit und Geborgenheit,

um sich ganz entfalten zu können. Wenn einst das Lebensgefühl der Christen mit den Worten formuliert werden konnte „ich armer, elender, sündiger Mensch“, dann lautet es für den säkularisierten Menschen der Gegenwart „ich armer, elender, verlassener Mensch“. Dr. Klaus Franke betont in seinem Aufsatz „Hat die monogame Ehe noch Zukunft?“, daß eine Erlösung vom Elend der Verlassenheit nur im menschlichen Gegenüber zu finden ist, eine Geborgenheit auf Dauer nur beim Ehepartner und in unserem Kulturkreis eben in der monogamen Ehe.

So erweist sich Treue gegenüber heutigen Zeitströmungen als ein Wesensmerkmal einer guten Ehe. Wenn von daher nach Untreue gefragt ward, muß nach Stifter wohl unterschieden werden zwischen Seitensprung, Abenteuer und Liaison, ob es sich hierbei um rein sexuelles Bedürfnis oder um Untreue in personaler Liebe gehandelt hat. Wenn die Ehe gebrochen wird, so liegt es nicht an der spezifischen Situation allein, sondern auch an der individuellen Eigenart jedes einzelnen.

Der Typ des Don Juan will in erster Linie gefallen, für ihn ist der narzißtische Gewann wdchtiger als die Eroberung. Der „Frauenjäger“ hingegen zielt ausschließlich und direkt auf den sexuellen Besitz, während der „Ewdg-Unzufriedene“ unaufhörlich auf der Suche nach der großen Liebe ist, ohne sie je bei einer Frau zu finden. Diese drei Typen, sagt Stifter, sind bei jedem Menschen mehr oder minder stark ausgeprägt. Untreue kann aber nicht als Neurose aufgefaßt werden, vielmehr liegt ihr wahrer Grund im menschlichen Begehren enthalten. Anthropologische Untersuchungen haben erbracht, daß bei allen Kulturen außereheliche Kontakte im Interesse der Erhaltung der Familie Einschränkungen bis zum totalen Verbot erfahren. Für den Christen gelten Aussagen aus dem Neuen Testament, das im Anschluß an das Alte Testament jede Form des Ehebruchs verurteilt als eine Übertretung des Willen Gottes und vor allem eine Verletzung der Liebe, wie es in den Paulusbriefen immer wieder betont wird (bes. Röm 13, 9-10).

Es ist heute notwendig, die Treue nicht weiter als überkommenen Tugendbegriff abzuwerten, sondern mit neuem Inhalt zu füllen und ihre Berechtigung gegen alle Trends zu behaupten. Der Wille zu Treue und das Verzeihen bei Untreue werden die entscheidenden Kräfte sein, die an einer gesunden Einstellung zur Ehe mitwirken müssen. Daß das nicht leicht ist ünd vieler Übung und Ausdauer bedarf, läßt noch nicht den Schluß zu, daß es Unsinn ist, sich dafür einzusetzen. ‘

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung