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Sonate ist wichtiger als die Geige

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Intelligent ist zum Modewort geworden, das allen großen Themen beigefügt wird, um damit die besondere Qualität des politischen Denkens und Handelns hervorzuheben. Wörtlich genommen ist damit nichts gesagt, denn daß eine politische Partei die anstehenden Probleme nicht unintelligent, also nicht dumm lösen will, versteht sich von selbst. Worauf es ankommt, sind nicht modische Schlagworte, sondern konkrete Lösungen für konkrete Probleme.

Und gerade darin hat die Österreichische Volkspartei fatale Schwächen. Erstens vermittelt sie laufend den Eindruck, ihre eigenen Probleme nicht lösen zu können. Die Suche nach dem neuen Parteiobmann wurde in der öffentlichen Meinung durchwegs als hilflos und menschenverachtend abgekanzelt. Wer will sich schon einer Partei anvertrauen,

die mit sich selbst nicht fertig wird?

Zweitens besteht die Partei in Wahrheit aus drei relativ selbständigen politischen Lagern, den Bauern, den Arbeitern und Angestellten und den Selbständigen, die sich in permanenter Bivalität über weite Strecken gegenseitig paralysieren. Nicht selten spricht die Partei mit zwei, manchmal sogar mit drei Zungen. Drittens sieht die ÖVP in der Politik fast ausschließlich oder jedenfalls in der Hauptsache eine Technik, wie man die Macht erwirbt und festhält. Die Macht ist aber kein Zweck, sondern ihrem Wesen nach ausschließlich ein Mittel. Sie verhält sich zur Politik etwa so, wie die Geige zur musikalischen Komposition.

Leider kommt immer mehr abhanden, daß die Politik der gleichen schöpferischen Erfindung bedarf, wie die Kunst und Wissenschaft. Und gerade die ÖVP erweckt unglücklicherweise mehr und mehr den Anschein, daß sie die Herstel-

lung der Geige mit der Komposition einer Sonate verwechselt.

Die ÖVP hat am letzten Parteitag ein neues Programm beschlossen, und viele meinen, damit sei die Frage nach der eigenen Position beantwortet. Weit gefehlt. Natürlich braucht jede politische Partei ein Programm als geistig-ethisches Fundament und Zurechnungsmaßstab.

Aber die konkrete politische Wirksamkeit solcher Programme ist nicht viel größer als Null. Welcher Wähler studiert und vergleicht die verschiedenen Parteiprogramme, um aus dem so gewonnenen Befund seine Wahlentscheidung zu treffen?

Worauf es ankommt, ist die konkrete Umsetzung der programmatischen Postulate in der politischen Praxis. Personell durch Sauberkeit und Wahrhaftigkeit und ideell durch Treue zu den Grundsätzen. Die ÖVP muß aufhören, wie ein häßliches Mädchen den Spiegel zu zerschlagen, weil er schuld an allem sei.

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