6828217-1974_23_15.jpg
Digital In Arbeit

Ein Genie unserer Zeit

Werbung
Werbung
Werbung

Das Technische Museum in Wien bewahrt das hier abgebildete Photo auf. Es zeigt den damaligen Thronfolger Franz Ferdinand, in einem Auto sitzend. Es ist ein Photo aus dem Jahr 1905. Der Thronfolger sieht etwas müde von den Strapazen aus, seine Uniform ist mit Staub bedeckt. Das gleiche gilt von den Offizieren, die um das Auto stehen. Hinter dem Auto sind noch Ulanen zu Pferd zu sehen, Soldaten der alten Waffengattungen. Am Lenkrad des Autos ein schmächtiger Soldat. Dieser Soldat wurde einer der Genies unserer Zeit. Es ist Ferdinand Porsche aus Maffersdorf, damals Feldwebel in der k. u. k. Armee.

Maffersdorf liegt im nördlichen Böhmen, in der Nähe von Reichenberg. Schon vor dem 1. Weltkrieg war dieser kleine Ort berühmt. Noch nicht als Geburtsort von Porsche, sondern als Sitz der weltberühmten Maffersdorfer Teppichfabriken I. Ginzkey (aus der gleichen Familie stammte der bekannte Dichter Franz Karl Ginzkey, der neben diesen berühmten Industriellen wie ein schwarzes Schaf wirkte).

In diesem kleinen Ort wurde am 3. September 1875 Ferdinand Porsche als Sohn eines Spenglers geboren. Auch er erlernte das Spenglerhandwerk und beim Lernen dieses Handwerks kam er ins Spintisieren. Das ist in Böhmen nichts Seltenes. Es ist das Land, aus dem durch das Spintisieren vieler Menschen geniale Erfindungen und Entdeckungen hervorgingen. So erfand Josef Ressel aus Chrudim die Schiffsschraube, die eine Revolution im Schiffahrtswesen mit sich brachte. Der Pfarrer Diwisch aus Znaim entdeckte lange vor Benjamin Franklin den Blitzableiter. Und Gregor Mendel fand auf Grund langer Beobachtungen der Natur die berühmten Vererbungsgesetze, die seither nach ihm ihren Namen tragen.

Als Ferdinand Porsche das Spenglerhandwerk erlernte, war gerade die Technik in einem ungeheuren Aufschwung begriffen. Ohne diesen Hintergrund wären seine Entdeckungen undenkbar. Diese Zeit bedurfte eines Fahrzeugs, das vom Pferd und vom Dampf unabhängig war und das jedermann selbst leiten konnte.

Zusammen mit einem Freund erfand Ferdinand Porsche das Elektromobil. Inzwischen war aber schon Porsche nach Wien übersiedelt, das für lange Zeit ihn beherbergen sollte. Die Erfindung des Elektromobils war eine Sensation. Aber Porsche war nicht zufrieden damit. Sein ewig spintisierender Geist grübelte weiter und weiter, so lange, bis er den Benzinmotor erfunden hatte. Es war noch ein benzin-elektrisches Automobil, das er zunächst auf die Räder

stellte, das im Jahr 1900 in Paris auf der Weltausstellung zu sehen war und dort das Tagesgespräch bildete. Bald hat er aber auch schon das Benzinauto erfunden und kann mit seiner selbstgebauten Benzinkutsche 1905 den Thronfolger in die Manöver fahren. Er wird technischer Direktor bei Daimler in Wiener Neustadt und baut die schönsten Wagen,

die alle Snobs der Welt kaufen, um mit dieser neuen Art von Fahrzeugen auftrumpfen zu können. Aber dann bricht der Krieg aus und Ferdinand Porsche stellt seinen ganzen Erfindergeist der Armee zur Verfügung. Er motorisierte die schwersten Mörser der Welt, die berühmten 30,5-Mörser, das Glanzstück der k. u. k. Artillerie. Er entwickelt den „Landwehrzug“, einen gepanzerten Tank auf Schienenrädern. Dann kommt

das Ende des Krieges und der Zusammenbruch der Monarchie. Porsche verläßt Wiener Neustadt und geht zu „Mercedes“ nach Stuttgart. Die wenigsten Menschen unserer Zeit werden wissen, wieso es zur Entstehung des Namens Mercedes kam: Irgendwo in der Welt lebte ein reicher Fabrikant namens Jellinek. Der Name deutet darauf hin, daß sein Träger aus Böhmen stammte und wahrscheinlich jüdischer Abstammung war. Dieser Kaufmann hatte eine Achillesferse: seine Liebe zu seiner schönen Tochter. Diese Tochter hieß Jellinek Mercedes. Er bestellte für sie bei Porsche ein Auto, das besonders schön sein sollte und den Namen seiner Tochter tragen sollte. Natürlich den Vornamen Mercedes und nicht den Familiennamen Jellinek. So ward diese weltberühmte Automobilmarke geboren.

Von „Mercedes“ geht Porsche zu den Steyr-Werken, baut schließlich sein eigenes Konstruktionsbüro auf; er entwirft den berühmten 16-Zylin-der-Wagen.

Knapp vor Ausbruch des 2. Weltkrieges konstruiert er die Krönung seines Werkes, den Volkswagen, der erst nach dem 2. Weltkrieg die Welt erobern sollte.

Natürlich bemächtigt Sich die Deutsche Wehrmacht im 2. Weltkrieg dieses Mannes und spannt ihn für ihre Waffenrüstungen ein. Er muß Kampfwagen konstruieren, Amphi-bienautos, Windkraftanlagen und schließlich segar Tanks. Nach dem 2. Weltkrieg wäre er gerne nach Österreich zurückgekehrt, das seine eigentliche Heimat war, denn sein Leben lang fühlte er sich als Altösterreicher. Aber nach dem 2. Weltkrieg waren Sudetendeutsche in Österreich nicht sehr beliebt und so ließ man denn dieses Genie nicht nach Österreich herein, ebensowenig wie die Gablonzer Glasschleifer, die samt ihrem Können gerne nach Österreich gekommen wären und sich dann in Deutschland eine neue Heimat aulbauten. Durch diese engstirnige Einstellung sind dem neuen Österreich Milliardenbeträge entgangen.

Porsche lebte weiter in Stuttgart I und seine Erfindung, der Volkswagen, eroberte die Welt. 1951 ging sein Leben zu Ende. Jetzt endlich konnte er endgültig in das so geliebte öster- j reich zurückkehren, das ihn verschmäht hatte. Die Rückkehr konnte dem Toten niemand mehr verweigern. Am 31. Jänner 1951, einem bitterkalten Wintertag, trug man diesen j unermüdlichen Schrittmacher der Technik in Zell am See zu Grabe. ' Ein ungestümes Herz, das für den Motor lebte, hatte zu schlagen aufgehört.

FERDINAND PORSCHE. Ein Genie unserer Zeit. Von Peter Müller. Leopold-Stocker-Verlag, Graz. 238 Seiten, 25 Abbildungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung