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Osterreichische Konstrukteure in der deutschen Automobilindustrie

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Wer heuer den Internationalen Autosalon anläßlich der Wiener Frühjahrsmesse besucht, bedauert vielleicht, wie wenig Typen die österreichische Autoindustrie vertreten, und dies vor allem auf dem Pkw.-Sektor, den wir mit rein österreichischen Erzeugnissen überhaupt nicht zu beschicken vermögen. Es wäre jedoch ein großer Irrtum, zu glauben, daß daran eventuell auch das' mangelnde Können der heimischen Konstrukteure schuldtragend sein könnte. Man braucht nur die österreichischen Nutzkraftwagenkonstruktionen ansehen, wenn sie auch nicht ein solch allgemeines Interesse beanspruchen können wie der Pkw. Dennoch ist es lohnend, diese rein heimischen Konstruktionen — seien es nun Lkw., Spezialfahrzeuge oder Omnibusse — kritisch zu besehen, denn sie besitzen anerkanntermaßen internationales Format und liegen zum Großteil sehr gut im Export. Dies trotz oft stärkster ausländischer Konkurrenz. Beachtlich ist letzten Endes aber auch die Elastizität in der Produktion, mit der unsere Fabriken diese Fahrzeuge fertigen, die im allgemeinen kaum zu wirklichen Serien heranwachsen.

Was österreichische Konstrukteure aber auch auf dem Pkw.-Sektor zu leisten vermögen, ersieht man am besten, wenn man den Anteil des Oesterreichers in der ausländischen Industrie, vor allem aber in unserem Nachbarstaat Deutschland, näher betrachtet. Es ist viel zu wenig bekannt, daß gerade die deutsche Autoindustrie immer wieder auf den österreichischen Ingenieur oder technischen Kaufmann greift und ihn mit größeren oder großen Aufgaben betraut. Ein Streifzug durch die deutsche Kraftfahrzeugindustrie zeigt bereits eine Vielfalt von österreichischen Spitzenkönnern an verantwortungsvollen Posten. Eine ganze Reihe von Kraftfahrzeugtypen, die in Oesterreich gern gekauft und gefahren werden, sind das geistige Produkt österreichischer Ingenieure und Konstrukteure.

So ist zum Beispiel der Chefkonstrukteur und technische Direktor der Lloyd-Motorenwerke in Bremen, Dipl.-Ing. Krämer, ein Wiener, der seine Karriere bei der alten österreichischen Automobilfabrik Graf & Stift begann. Dieser Mann steht seit Gründung der Lloyd-Werke an der Spitze des Unternehmens und ist für die gesamte Entwicklung und Produktion des inzwischen in Großserien gebauten Kleinwagens voll verantwortlich. Wenn man überlegt, daß der Lloyd heute einer der wenigen Kleinwagen ist, die wirkliche Geltung erlangen konnten, so spricht das zweifellos für das große Können dieses Oesterreichers. — Oder wer weiß es schon, daß der technische Direktor von Ford-Köln ein durch die Autoproduktion der ganzen Welt gegangener Wiener ist, der seine reiche Erfahrung nunmehr diesen Werken zur Verfügung stellt? Auch hier handelt es sich wiederum um gern gekaufte und vielgefahrene Erzeugnisse der ausländischen Kraftfahrzeugproduktion. — In einer anderen Sparte der Kraftfahrt, nämlich dem Schlepperbau, macht sich bei Hanomag der Chefkonstrukteur für den Motorenbau, ein Oesterreicher, besonders verdient, der, was im ganzen Werk immer wieder betont wird, nur einen Fehler aufweist, daß er viel zu bescheiden ist. Die Schlepper dieser Firma werden in die ganze Welt geliefert.

Mercedes-Benz, diese älteste und eine der berühmtesten Automobilfabriken der Welt, hat sich ebenfalls eine ganze Reihe von Oesterreichern in maßgebliche Positionen geholt. So ist der Chef der Fahrgestellentwicklung, Ober-ir.genieur W i 1 f e r t, ein Wiener, während einige Vorstandsmitglieder Oesterreicher sind. Nicht zuletzt aber soll hier des geradezu legendären Rennstrategen von Mercedes-Benz, Direktor Neubauer, gedacht werden, der seit Jahrzehnten die Geschicke des Mercedes-Rennstalls auf die erfolgreichste Weise lenkt und durch seine Leistungen nicht unwesentlich zur Popularität dieser Marke beigetragen hat.

Geradezu als österreichische Kolonien aber müssen Klöckner-Humboldt-Deutz, Köln, und die Porsche KG, Stuttgart, bezeichnet werden. Zwei technische Direktoren des riesigen Kölner Werkes sind Oesterreicher. In dieser Firma ist seit Jahren aber auch ein Mann tätig, dem die Kraftfahrt der ganzen Welt vieles zu danken hat: Dr.-Ing. L e d w i n k a, der seinerzeit für die unverwüstlichen Fahrzeugkonstruktionen Her und 12er Tatra verantwortlich zeichnete und ein Pionier des luftgekühlten Motors ist, bekleidet in dieser Firma trotz seines hohen Alters die Stelle eines beratenden Ingenieurs.

Die Porsche KG in Stuttgart beschäftigt an leitender Stelle fast nur Oesterreicher. Ueber ihr Können brauchen keine Worte verloren zu weiden, denn der Porsche-Sport- und RennSportwagen hat inzwischen seine Qualitäten auf der ganzen Welt unter Beweis gestellt und gehört zweifellos zu den meistgefahrenen Fahrzeugen dieser Kategorie. Der Chef des Hauses ist Dipl.-Ing. Ferry Porsche, der Sohn des genialen Oesterreichers Prof. Dr.-Ing. h. c. Ferdinand Porsche, dem die deutsche Kraftfahrt Jahrzehnte hindurch ebenfalls ungemein viel zu danken hatte und hat. Porsche jun. genießt in der, Fachwelt heute fast den gleichen Ruf wie sein verstorbener Vater.

Chevrolet brachte vor kurzem einen kleinen Schnellaster mit offener Pritsche auf den Markt, und zwar unter der Bezeichnung „C a m e o Carrier“. Dieses Fahrzeug ist interessanterweise mit einer Kunststoffkarosserie ausgestattet. Gewölbte Windschutzscheibe und gewölbte Rückfenster sind Selbstverständlichkeit. Ueber-haupt macht dieses Fahrzeug mehr den Eindruck eines Pkw. als eines Lkw. — eine Bautendenz, die sich im Lkw.-Bau immer mehr durchsetzt. Auch beim schweren Lkw. gehen die Bestrebungen dahin, möglichst nahe an den Fahrkomfort, die Sichtverhältnisse und angenehme Bedienung des Pkw. heranzukommen. Heute ist bei einem 3,5- und 4-Tonnen-Lkw. eine Lenkradschaltung

Dieser kleine Querschnitt nur durch einen einzigen technischen Sektor der deutschen Industrie zeigt bereits deutlich, was österreichische Ingenieure und Konstrukteure zu leisten vermögen und welchen Ruf sie sogar in einem Industrieland wie Deutschland genießen. Allein von dieser Perspektive aus betrachtet wird deutlich, daß unser Land reich an wirklichen Spitzenkönnern ist und dieser Umstand zumindest nicht dafür verantwortlich ist, wenn Oesterreich keinen eigenen Pkw. herstellt.

keine Sensation mehr. Klimaanlage, anatomisch richtig gebaute Sitze“, geräuscharme Führerkabine verstehen sich heute bei Neukonstruktionen von selbst. Bei den größeren Einheiten, wie 5- und 8-Tonnern, findet man heute vielfach hydraulische Lenkhilfen und Servo-Anlagen, um da Fahrzeug möglichst leicht bedienen zu können. Daß man heute so sehr an den Führer dieser Fahrzeuge denkt, hat seine Ursache in der Erkenntnis, daß die Leistungsfähigkeit durch die Erleichterung der mitunter sehr schweren Fahrarbeit sehr wesentlich steigt, wodurch rationellere Arbeitsbedingungen geschaffen werden können.

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