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UNO-City auf Rädern

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Seit einiger Zeit „geistert“ im wahrsten Sinne des Wortes ein Auto durch die österreichische Innenpolitik: Während ÖIAG-Chef Franz Geist und mit gewissen Einschränkungen auch Bundeskanzler Bruno Kreisky von den Vorteilen einer eigenen Autoproduktion in Österreich im Hinblick auf die zerrüttete Zahlungsbilanz und von der Sicherung der Arbeitsplätze schwärmen, befürchten Kritiker die Produktion eines milliardenschweren Industriedenkmales. Einer verstaatlichten UNO-City auf Rädern.

Auch die jüngste Sitzung der Industriekommission, auf deren Tagesordnung unter Punkt 3 die „Pkw-Studie Porsche“ stand, konnte noch keine Klärung bringen. Wohl aber scheinen auf Grund der harten Kritik aus Kreisen der Wirtschaft und der Industrie vor allem Finanzminister Hannes Androsch und mit ihm der Bundeskanzler den etwas oberflächlichen Arbeitsplatzargumenten des ÖGB-Prä- sidenten Anton Benya etwas differenzierter gegenüberzustehen.

Zum Projekt selbst: Eine erste Studie über die Voraussetzungen, unter denen in Österreich ein viertüriger Mittelklassewagen erzeugt werden könnte, nimmt eine Jahresproduktion von 50.000 Einheiten ab 1982/83 in Aussicht. Als technische Rahmenbedingungen werden hochwertige Ausstattung, Langlebigkeit und weitgehende Verwendung von Aluminium verlangt. Die noch unvollständigen Marktanalysen rechnen in Österreich mit einem Absatz von 10.000 bis 12.000 Stück, im Ausland sollen 37.000 bis

42.000 Austro-Porsche abgesetzt werden, davon die Hälfte in den USA und ein Viertel in der Bundesrepublik.

Ein erstes Fragezeichen stellt bereits der auf der Preisbasis des Jahres 1976 kalkulierte Inlandspreis dar. Er wird mit 161.000 bzw. 171.000 Schilling angegeben, was bedeutet, daß das Auto heuer bereits knapp unter der 200.000-Schilling-Grenze liegen dürfte.

Ein Preis, der erst einmal zu den am Automarkt bereits etablierten Modellen in Beziehung gebracht werden muß. Der Austro-Porsche wäre in Österreich teurer als Audi 100 L, Volvo 244, BMW 520 oder Alfetta 1,8. Ein in die Bundesrepublik exportierter Austro-Porsche käme sogar teurer als der Mercedes 250.

Grundsätzlich soll festgehalten werden, daß das Projekt natürlich auch positive Aspekte hat. Es wäre sicherlich ein kv/iixger Impuls für die österreichische Wirtschaft, ein Anreiz zu technologischer Innovation sowie ein Beitrag zu den verschiedenen Bemühungen, die Zahlungsbilanz wieder ins rechte Lot zu rücken und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Freilich läßt sich fast an alle Argumente, die für den Austro-Porsche sprechen, die Frage knüpfen, ob nicht dasselbe Ziel durch andere Maßnahmen wirkungsvoller erreicht werden könnte. Ein gehobener Mittelklassewagen in .einer nicht minder gehobenen Preisklasse ist wohl kaum als Durchschnittsfahrzeug der Familie Österreicher anzusprechen. Zudem haben sich die Österreich längst daran gewöhnt, unter einer Vielzahl verschiedener Automarken unterschiedlicher Klassen das ihnen zusagende Modell auszuwählen. Mit herzerweichenden Appellen an den Patriotismus allein wird der Austro-Porsche also gewiß keinen respektablen Marktanteil erobern können.

Gerade die Zahlungsbilanz dürfte ein Kapitel sein, das nicht durch eine einzige Gewaltmaßnahme lösbar ist, sondern bei geringerem Risiko nur durch langfristige Strategien einer Besserung zugeführt werden kann. Hierher gehört vor allem die Frage nach der heimischen Wirtschaftsstruktur. Immer öfter wird an die Wirtschaft der Vorwurf gerichtet, sie produziere am Markt vorbei und habe die Qualität ihrer Produkte nicht im selben Ausmaß angehoben, wie der allgemeine Lebensstandard gestiegen ist.

Es ist kein Zufall, daß moderne Wohnungseinrichtungen, etwa skandinavische Möbel, fast alle elektronischen Haushaltsgeräte sowie last not least die Autos in Zeiten steigenden Wohlstandes in der Nachfrage unverhältnismäßig schnell steigen. Aber es sind nicht nur Qualitätsprodukte, sondern vielfach auch ganz einfache Waren, die in Österreich überhaupt nicht mehr produziert werden. Als kurioses Beispiel sei Fensterglas genannt, das von Österreich zur Gänze importiert wird.

Nicht zu unterschätzen ist der mögliche Verdrängungseffekt durch das

Austro-Porsche-Projekt: Da ja die Investitionen für,Austro-Porsche aus irgendeiner Kasse genommen werden müssen, steht zu befürchten, daß das in die Autoproduktion gesteckte Geld von anderen Projekten teilweise abgezogen werden muß, wovon wiederum andere Arbeitsplätze betroffen sein könnten.

Ein zweiter Verdrängungseffekt läßt Zweifel am Zahlungsbilanz-Argument aufkommen. Es besteht die Gefahr, daß österreichische Zulieferfirmen zugunsten neuer Produktionen für Austro-Porsche alte Exportaufträge vernachlässigen oder aufgeben.

Ein weiterer beachtlicher Aspekt ist das Risiko. ÖAAB-Generalsektretär Walter Heinzinger, der eifrig Argumente gegen den Austro-Porsche sammelt, bezeichnet Franz Geists Geisterauto in Anlehnung an Hitlers nicht mehr zum Einsatz gekommene Wunderwaffe als V-3-Projekt. Seine Ansicht: In einer schwierigen wirtschaftlichen Situation dürfe man nicht auf Wunder setzen und mit den Hoffnungen der Bevölkerung spielen. Und: Steuergelder sind kein Spekulationskapital.

Die Forderung, öffentliche Förderungsmittel sollten nicht für ein Projekt mit hohem Risiko und bescheidenen Rentabilitätschancen eingesetzt, sondern für eine Vielzahl kleinerer Innovationen (Risikostreuung) verwendet werden, klingt recht plausibel

Eine Zwischenfrage übrigens: Wäre das Risiko bei Austro-Porsche so gering, würde dann die Firma Porsche nicht mehr als ihr Fachwissen, nämlich Kapital, zur Verfügung stellen? Würde dann nicht VW seinen Vertrieb aufbieten? Ja würde die Bundesrepublik, die bei Gott mehr Arbeitslose als Österreich aufzuweisen hat, an einer seriös kalkulierten neuen Autoproduktion nicht selbst interessiert sein?

Das Argument, in Österreich müsse endlich in die Forschung ein größerer Brocken investiert werden, hat auch zwei Seiten. Demjenigen, der investieren will, könnte nämlich geholfen werden. Laut Forschungsforderungsfonds der Gewerblichen Wirtschaft wurden 1976 nur 59 Prozent der beantragten Vorhaben (gemessen am Gesamtvolumen) subventioniert. Im heurigen Jahr stehen den beantragten 700 Millionen, die zur Erreichung der Zielsetzungen des Forschungsforderungsfonds notwendig wären, im Budgetvoranschlag angesetzte Gelder von 170 Millionen Schilling gegenüber.

In Anbetracht des noch offenen Vertriebssystems, des abenteuerreichen amerikanischen Marktes und vieler anderer Fragezeichen wächst die Sorge, der Austro-Porsche werde doch nicht der große Wurf sein, den Franz Geist bereits heute ganz bescheiden mit dem vor 25 Jahren in Österreich erfundenen LD-Verfahren in der Stahlproduktion vergleicht.

Beispiele für wirtschaftliche Fehlinvestitionen gibt es in der Vergangenheit genug.

Geradezu als Schulbeispiel für einen Firmenmißerfolg gilt der 1958 herausgebrachte Ford Edsel. Das bis ins letzte Detail ausgewogen konzipierte Modell, das eine vernichtende Kampfansage an General Motors werden sollte, brachte einen Verlust von gut 300 Millionen Dollar. Heute ist der Edsel ein Sammlerobjekt, das teurer ist als sein ursprünglicher Preis.

Sollte also die Existenz von Sammlern und Autoliebhabern das ausschlaggebende Argument für eine heimische Autoproduktion abgeben, wird das Fehlen eines Austro-Porsche wohl zu verschmerzen sein.

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