Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Endlich aufwachen!
Vor sieben Jahren schickte der Verband katholischer Publizisten Österreichs Solidari-tätstelegramme für den inhaftiertenpolnischen Journalisten Tadeusz Mazowiecki an die polnischen Behörden. Dieser Tage ging ein Glückwunschtelegramm desselben Absenders an Polens Ministerpräsidenten, der seit 24. August 1989 Tadeusz Mazowiecki heißt.
Zum erstenmal seit der Errichtung kommunistisch regierter Satellitenstaaten der UdSSR vor mehr als vier Jahrzehnten darf mit Zustimmung Moskaus ein nichtkommunistischer Premier versuchen, ein Land aus dem Chaos zuführen, in das es kommunistische Herrscher geführt haben: Vorbote des endgültigen unblutigen Triumphes des moralisch stärkeren Systems?
In anderen Ländern geht ähnlich Dramatisches vonstatten. Die Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen rütteln an der russischen Vorherrschaft, die vor 50 Jahren Stalin mit Hitler besiegelt hat. Ungarn wird vielleicht im nächsten Jahr so weit sein wie Polen heute.
Der DDR laufen, von einem kommunistischen Regime (in Ungarn) unterstützt, die Bewohner in Scharen davon. Die Machthaber in Prag zittern. In Belgrad regiert die große Ratlosigkeit: Scheinruhe vor dem Sturm?
Ein Orkan der Geschichte sammelt seine Wolken. Und Österreich schläft. Aus diesem Schlaf hat es Wissenschaftsminister Erhard Busek dieser Tage mit einem „Aufschrei“ zu wecken versucht. Nichts war notwendiger als dieser. Die Reaktionen darauf fielen beschämend dürftig aus.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund unterhält bis heute Beziehungen nur mit dem kommunistischen Gewerkschaftsverband Polens, nicht aber mit der „Solidarität“, zu der seit Jahren nur die Fraktion Christlicher Gewerkschafter solidarische Kontakte pflegt.
Die österreichische Bundesregierung verfolgt mitfreund-lich-dösendem Interesse die Entwicklung in den Nachbarländern, statt alle Leuchtturmfeuer zu einer Signalbotschaft zu vereinen: Wir sind da, wenn ihr uns brauchen könnt!
Die katholische Kirche Österreichs hat seit vielen Jahren zu den Schwesterkirchen in Südost-, Ost- und Ost-nütteleuropasoenge Beziehungen gepflegt, wie es nur möglich war. Aber jetztmachen wir weiter, als wäre nicht schon viel mehr möglich geworden als verstohlene Nachbarschaftscaritas mit Bibelpaketen im Touristen-PKW.
Der Eiserne Vorhang rostet durch. Wann wird der Stahlmantel schmelzen, der unsere Phantasie in der Staats-, Gewerkschafts- und Kirchenführung gefangenhält? In Europas Geschichte wird ein neues Kapitel geschrieben. Wird Österreich darin nur als Index-Alibi vorkommen?
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!