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Enthüllung des Innenlebens?

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Die sozialistische Alleinregierung basiere auf einer Koalition zwischen Sozialisten und unabhängigen Liberalen, läßt der Bundeskanzler mit Vorliebe verlauten. Diesem Umstand habe die Regierung durch die Aufnahme parteiloser Liberaler — nämlich Lütgendorfs und Bielkas — in die Regierung Rechnung getragen.

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Die sozialistische Alleinregierung basiere auf einer Koalition zwischen Sozialisten und unabhängigen Liberalen, läßt der Bundeskanzler mit Vorliebe verlauten. Diesem Umstand habe die Regierung durch die Aufnahme parteiloser Liberaler — nämlich Lütgendorfs und Bielkas — in die Regierung Rechnung getragen.

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Ob diese beiden Männer tatsächlich als Vertreter des Liberalismus zu betrachten sind, bleibe dahingestellt. Jedenfalls zeigt es eine sehr originelle Auffassung von Koalition, wenn der Partner durch politisch farblose Männer in zwei innenpolitisch irrelevanten Ressorts repräsentiert . wird, durch Männer, welche sich bisher als Ja-Sager bei sämtlichen eindeutig sozialistischen Ministerratsbeschlüssen bewährten. Aber wenn es darum ging, im Parlament Gesetze gegen den erbitterten Widerstand der Opposition mit hauohdünner Majorität durchzupeitschen, dann war von der stillschweigenden Koalition mit den Liberalen niemals die Rede, dann hieß es immer, die absolute Mehrheit stelle einen Wählerauftrag zu Reformen dar.

Je näher die Wahl kommt, desto angelegentlicher wird das liberale Image der SPÖ aufpoliert, denn desto dringender benötigt die SPÖ das Wohlwollen von „Randschichten“ (wie übrigens auch die „neue“ ÖVP).

Politisch Naive glauben, dadurch sei tatsächlich die Entideologisie-rung der österreichischen Lager gewährleistet. Als Garant dieser Entwicklung erscheint ihnen ein jovialer Kanzler, von dessen bour-geoisen Umgangsformen auf seine Intentionen geschlossen wird.

Das Entscheidende sind aber im Fall der SPÖ nicht die allgemeinen Zielsetzungen, sondern die speziellen Methoden, mit denen sie erreicht werden sollen.

Diese Informationslücke wurde vor einigen Tagen von den Jungsozialisten aufgefüllt. Man sage nicht, dies sei für die Gesamtpartei ohne Belang, die Jungsozialisten genössen eben Narrenfreiheit. Immerhin sind sie eine der bestorga-nisiertesten Gruppen in der SPÖ, die „Nachwuchsstars“ der Gesamtpartei — Bleoha, Fischer usw. usw. — stammen aus ihrem Kader und unterhalten noch immer ein Nahverhältnis zur Parteijugend. Auch ein großer Teil der künftigen sozialistischen Prominenz wird aus dieser „Kaderschmiede“ hervorgehen.

Außerdem liegt das, was die Jungsozialisten dieser Tage als ihre Wahlplattform proklamierten, gar nicht so weit ab von der offiziellen Parteilinie. Es enthält eigentlich nur jene im offiziellen Programm fehlenden „Durchführungsbestimmun-gen''^ Eine mit der absoluten Mehrheit ausgestattete sozialistische Partei könnte die jungsozialistischen Vorschläge durchaus in Erfüllung ihres Wahlprogrammes realisieren, denn in diesem konstatiert sie nur, was sie anstrebt. Davon, mit welchen Mitteln sie es anstreben will, wird herzlich wenig gesagt. Es können daher ruhig die jungsozialistischen Methoden sein, die die SPÖ einsetzt.

Der Kanzler würde dann als trojanisches Pferd dienen, aus dessen Bauch — gleich nach feierlicher Einholung des Pferdes in die Regierungsgewalt — dann die Juso-Ideen hervorbrechen. Daß dies so sein wird, ist sehr wahrscheinlich, denn eine zweite absolute Mehrheit der Sozialisten, wenn auch mit den umworbenen liberalen Stimmen erreicht, wird — nicht zuletzt vom Kanzler selbst — zweifellos als Auftrag verstanden werden, sozialistische Reformen noch stärker als bisher voranzutreiben.

Auf viele der jungsozialistischen Pläne stößt man — wenn auch in einer weniger deutlichen Form — immer wieder in gesamtsozialistischen Maßnahmenkatalogen. Etwa auf das Projekt, das Eigentumsrecht an Wohnungen in ein bloßes Nutzungsrecht umzuwandeln, Zweit-wohnungen und unterbelegte Großwohnungen zusätzlich zu besteuern, eine offizielle Wohnungsvermittlung einzuführen, — was sehr bald auf ein amtliches Zuteilungssystem hinauslaufen wird —, das freie Niederlassungsrecht der Ärzte aufzuheben, die Konzerabetriebe der verstaatlichten Großbanken in die ÖIAG zu inkorpotieren, die Monatseinkommen über 15.000 S empfindlich stärker als bisher zu besteuern — ausgenommen selbstverständlich Politikereinkünfte.

Sind diese Gedankengänge wirklich so weit von der offiziellen Parteilinie entfernt, wurden sie nicht schon des öfteren aufs Tapet gebracht und dann bloß vorläufig zurückgestellt, weil die Zeit noch nicht „reif“ war?

Die Enthüllungen der Jungsozialisten sagen zweifellos mehr über das Innenleben der SPÖ aus als die verschwommenen Wahlslogans. Man kann überzeugt sein, daß ein Kabinett Kreisky II, auf eine absolute Mehrheit gestützt, wahrscheinlich keinen liberalen Sozialdemokratismus bringt, sondern sehr gravierende irreversible Fakten schaffen wird.

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