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Joseph in Ungarn

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Das Jahrzehnt zwischen 1780 und 1790 bedeutete für Ungarn die Konfrontation einer höchstentwickelten Variation des aufgeklärten Absolutismus einerseits, mit der jahrhundertealten, ständischen Konstituition andererseits. Die Regierung Josephs II. gab Ungarn Impulse, die die Möglichkeit der Aufschließung zu entwickelten Staaten des Westens hätten sichern können, so auf dem Gebiet der Wirtschaft, wie auf dem der politischen Organisation und der Kultur.

Das Grunddilemma für die Regierung Josephs II. war letzthin, daß sie nötige und positive gesellschaftliche Reformen durchführen wollte, aber nicht in Betracht zog, daß sich der ungarische Adel nur auf fünf Prozent der Bevölkerung beläuft.

Und was noch wesentlicher ist: Der Herrscher wollte die historische Selbständigkeit des Landes aufheben; infolge dessen entfremdeten sich auch seine früheren Sympathisanten von ihm.

Das wirkungsvollste politische Erbe des Systems war die Toleranzpolitik. Im Vergleich mit dem Ungarn des 17. Jahrhunderts brachte sie nichts Neues, im Vergleich zu Ungarn des 13. Jahrhunderts kann sie aber als ein großer Fortschritt aufgefaßt werden.

Es kann zum Teil als Folge dieser Politik aufgefaßt werden, daß sich ein neues, hauptsächlich nichtkatholisches Beamtentum formte, ebenso eine nichtkatholische Obrigkeit. Diese Beamten haben sich mit vielen Josephinischen Reformen völlig identifiziert.

Das Bauernedikt Josephs (22. Aug. 1785) drückte in erster Linie gesellschaftliche (und nicht adelige) Bedürfnisse aus. Der wichtigste Punkt des Ediktes ist die Sicherung der Freizügigkeit fürs Bauerntum.

Diese Bestrebung zeigt sich noch präsenter in den rechtlichen Reformen des Herrschers. Er versuchte die rechtlichen Privilegien des Adels aufzuheben.

Die ungarische Kultur hat der Josephinischen Epoche viel zu verdanken. Die ungarischen Studenten haben die modernen Ideen des Zeitalters kennengelernt, sei es in Wien oder in Ofen (Buda) auf Grund der Gedanken Sonnenfels und Martinis oder in Göttingen bei Schlözer und Spittler usw.

Am wichtigsten ist ein teilweise den Reformen des Kaisers (Sprachedikt) wiederstrebender Prozeß, eine große Geisterbewegung zur Pflege der ungarischen Sprache. Es entstanden die ersten ungarischen Zeitschriften, man begann die antiken und modernen ausländischen literarischen Werke zu übersetzen.

Es kann auch auf allen Gebieten der Wissenschaft (Geschichte, Recht, Philosophie, Naturkunde) ein großer Fortschritt festgestellt werden.

Das Wesen der Josephinischen Epoche können wir folgendermaßen, kurz zusammenfassen: Die Tätigkeit der Regierung war eine ständige Herausforderung der ungarischen Gesellschaft, auf die pro oder contra geantwortet werden mußte. Die von Joseph II. verursachte Beunruhigung der Gemüter - die natürlich auch zu negativen Erscheinungen führen konnte - war im Ganzen genommen positiv.

Der Autor ist Assistent am Lehrstuhl Tür Geschichte des Mittelalters und der Ncu/cit an der Eötvös Lorand Universität in Budapest.

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