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Die meisten Darstellungen der Vorgänge in der ORF-Kommission gehen von der irrigen Ansicht aus, daß diese ein neues ORF-Gesetz errichte. Tatsächlich handelt es sich um eine gutachtliche Kommission, die zu ihr gestellten Fragen derart Stellungnahmen abgibt, daß dabei kein Kommissionsmitglied wider Willen an die Meinung eines anderen oder mehrerer anderer Mitglieder gebunden ist. Es trifft auch absolut nicht zu, daß irgend ein Kommissionsmitglied oder die Kommission als Ganzes in ihrer Tätigkeit subjektiven Vorstellungen einer Partei (SPÖ) oder des Herrn Bundeskanzlers als dem für den ORF zuständigen Regie-

rungsmitglied zu folgen hat. Hingegen trat augenfällig zutage, daß bisher alle, sonst in ihren Ansichten möglicherweise sogar stark voneinander abweichenden Kommissionsmitglieder sich sehr sachlich um eine größere Unabhängigkeit des ORF auch von Parteien und Regierung mühen, wobei 1 die Unabhängigkeit gemäß den Prinzipien der Europäischen Menschenrechts-Kom-mission, gemäß den Bestimmungen österreichischer Mediengesetze, der Verfassung, des ORF-Volksbegehrens und der vorliegenden, im ORF vollkommen unabhängig von der ORF-Kommission ausgearbeiteten Redakteurstatuten

sowohl als „innere“ als auch als „äußere“ Unabhängigkeit definiert wird. Nach Meinung bisher aller Mitglieder sollte diese Unabhängigkeit am besten Verfassungsrang erhalten.

Es ist effektiv falsch, daß sich die Kommission dabei mit Programmund „Kanalfragen“ befaßt, die eine „Zerschlagung des ORF“ oder eine Abschaffung einiger sehr erfolgreicher ORF-Programme zur Folge haben sollen oder haben könnten. Hingegen wird überlegt, auf welche Weise die Führungshierarchie des Unternehmens, seine Kontrollorgane und der Status des Eigentümers (bisher 99,2 Prozent die Republik, 0,8 Prozent die Bundesländer) den eingangs erwähnten Prinzipien weitgehender Unabhängigkeit angepaßt werden sollen, wobei man eine föderative Durchdringung dieser Hierarchie durchaus im Auge hat. Vielen, aber nicht allen Kommissionsmitgliedern erscheint hierbei eine echte Vorstandslösung mit einem Vorsitzenden und geteilten, jeweils autonomen Programmbereichen, wobei der Vorsitzende „echte Vorsitzerqualitäten“ behält, als zielführend. Sie meinen,

daß das im ORF-Gesetz verwirklichte Prinzip grundsätzlicher Ein-Mann-Führung dem seinerzeitigen Volksbegehren nicht entspreche und er weder jetzt noch in Zukunft einem großen, so vielfältigen und so monopolistischen Unternehmen gerecht wird. Seit 1966 hat sich auf dem Gebiet der elektronischen Massenmedien soviel verändert, daß dem auch ein novelliertes Gesetz Rechnung tragen müßte.

Die ORF-Kommission arbeitet gutachtlich. Das heißt, sie stellt am Ende eine Sammlung von Vorschlägen inklusive abweichende „Minderheitsmodelle“ zur Verfügung. Ob dann daraus ein Gesetz wird und wie dieses beschaffen sein wird, ist Sache der dafür nach unserer Verfassung allein bestimmten Organe, letztlich also der Regierung und des Parlamentes. Es steht den politischen Organen des Staates frei, und es muß ihnen freistehen, aus Gutachten Konsequenzen zu ziehen, nur Teilbereiche zu akzeptieren oder sie rundweg zu verwerfen.

Völlig falsch ist die Behauptung, daß die Kommission etwa nach Art

einer „Interessentenversammlung“ arbeite. Ich halte überhaupt diverse herabwürdigende Bemerkungen, die in der Öffentlichkeit auftauchen und durch sehr polemisch-aggressive Verlautbarungen des ORF hervorgerufen wurden, für so wenig glücklich wie demokratisch und schon gar nicht für nobel. In meinen Augen steht es um die Sachlichkeit einer pro oder kontra gerichteten Argumentation immer dann sehr schlecht, wenn diese sich polemischer Unterstellungen und beleidigender Behauptungen bedienen muß, um, wie man heute sagt, „anzukommen“.

Im übrigen kann sich jedermann bei jedem Kommissionsmitglied nach Belieben über die tatsächlichen Vorgänge erkundigen. Sofern man dabei davon ausgeht, daß unter Gutachtern nicht einer für alle sprechen kann, es sei denn, man formuliere ein Kommunique, wird man bei Befragung schon einiger weniger sehr rasch zu der Ansicht kommen, daß einige Darstellungen in der Öffentlichkeit insoferne irreführend waren, als sie sachlich einfach nicht oder nur zum Teil stimmten.

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