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Korrupt & bestechlich
Lucona-Prozeß, Noricurrv Ausschuß, Steuerhinterziehungen, Griff in fremde Kassen, zweifelhafte Abfertigungen, Mitschuld an Milliardenpleiten. Polit-Skan-dale ohne Ende. Woran liegt das? Müssen wir resigniert zur Kenntnis nehmen: „So ist sie eben, die Politik." Oder sind nur ihre Vertreter charakterloser als früher?
Lucona-Prozeß, Noricurrv Ausschuß, Steuerhinterziehungen, Griff in fremde Kassen, zweifelhafte Abfertigungen, Mitschuld an Milliardenpleiten. Polit-Skan-dale ohne Ende. Woran liegt das? Müssen wir resigniert zur Kenntnis nehmen: „So ist sie eben, die Politik." Oder sind nur ihre Vertreter charakterloser als früher?
Die Österreicher haben ihre Politiker nie idealisiert: man sah in ihnen traditionell Leute, die es mit der Wahrheit nicht sehr genau nehmen; die über einen ausgeprägten Machtinstinkt verfügen und darüber auch den eigenen Vorteil nicht zu kurz kommen lassen. Andererseits bescheinigte man ihnen Einsatz für „ihre Wähler", Verständnis für die „kleinen Leute" und alles in allem gute Arbeit -auch Korruption galt eher als Ausnahme.
In den letzten Jahren hat sich dieses Bild geradezu dramatisch verschlechtert (siehe Tabelle). Zu den traditionellen negativen Stereotypen gesellt sich ein generalisierter Korruptionsvorwurf. Vor allem aber werden die Volksvertreter als Angehörige einer eigenen „politischen Klasse" oder „Kaste" gesehen, die sich um die von ihnen Vertretenen nicht mehr kümmern, die nur mehr die eigenen Privilegien im Sinne haben und für ihr Geld auch nicht mehr die entsprechenden Leistungen erbringen.
Gewiß eine ungerechtfertigte Generalisierung - in jedem Falle aber eine negative Erwartungshaltung, dergegenüber der einzelne Politiker sein positives „Anderssein" zunächst einmal beweisen muß und für die - wie für jedes Vorurteil -gilt: jeder Fehltritt wiegt ungemein schwerer, nämlich in die Richtung einer Verstärkung des Vorurteils, als die mühsamen Versuche, das Gegenteil zu belegen.
Die Gründe für diese Vorverurteilungen sind vielfacher Natur: sie liegen in der abnehmenden Bindungsfähigkeit der Parteien, in der Erfahrung politischen Versagens (gerade im letzten Jahrzehnt hat die Politik eine allumfassende Problemlösungsfähigkeit behauptet, die sie sichtbar nicht einlösen konnte), in einer generalisierten negativen Medienberichterstattung, im bewußten Einsatz dieser Negativstereotype durch rechte wie grüne Populisten und - wer sollte es leugnen - im Unwillen oder in der Unfähigkeit vieler Politiker, sich auf die neue Situation einzustellen. Natürlich auch in den konkreten Anlaßfällen - und die gab es reichlich.
Entsprechend schwierig sind die Wege aus dieser unerfreulichen Situation. So wäre es wünschenswert, daß sich die Medien um eine differenziertere Betrachtungsweise bemühen und das Kind beim konkreten Namen nennen, ohne Pauschalverdächtigungen in den Raum zu stellen. Gleiches gilt natürlich für die selbsternannten oppositionellen Volkstribunen, seien es germanophile „Südlichter" oder friedensbewegte Grün-Alternative. Wünschenswert wäre auch die ehrliche Selbstbesinnung des „mündigen Bürgers" - wer um Hilfe für eigene Anliegen bittet, sollte sich bei der Kritik an politischer „Interventionitis" zurückhalten.
Der Autor leitet den Bereich Politische Forschung im Fessel + Gfk-Institut in Wien.
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