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Luft voller Gefahren

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Braucht Österreich neue Überwachungsflugzeuge? Die Debatte darüber ist jedenfalls voll in Gang gekommen. Es gibt viele Pro-, aber auch gewichtige militärische und politische Kontra-Argumente.

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Braucht Österreich neue Überwachungsflugzeuge? Die Debatte darüber ist jedenfalls voll in Gang gekommen. Es gibt viele Pro-, aber auch gewichtige militärische und politische Kontra-Argumente.

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Militärische Gründe für den Besitz von Jagdflugzeugen lassen sich in einem Umfang anführen, die den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen würden: Zum Thema Luftverteidigung liegen ganze Bibliotheken vor. Um diese Fragestellung auf Österreich einzugrenzen, lassen sich folgende herausragende Argumente anführen:

• Im Frieden die Ausübung der Souveränitätsrechte: Der Lufträum ist Teil des Staatsgebietes. Kein Staat kann darauf verzichten, seinen Luftraum der Disposition anderer zu überantworten. Dies käme einem Verlust der Handlungsfreiheit gleich — oder doch einer Beschränkung einer solchen Handlungsfreiheit, wenn es darum geht, bestimmte Rechte und Interessen durchzusetzen.

Eine solche Souveränitätsausübung bedarf daher keiner besonderen Rechte, ein Verzicht bedeu-tet jedoch den Verlust angestammter Rechte und könnte — ähnlich den Rechten in nationalen Gewässern — zu einer für Österreich nachteiligen Staatenpraxis führen. Ein fremder Staat zum Beispiel könnte daher im Frieden den österreichischen Luftraum für Aufklärungszwecke gegen Osterreich oder gegen Dritte verwenden.

• DieRepublikösterreichbehält sich im Sinne der Wahrung der Souveränität und zur Behauptung der Neutralität grundsätzliche Rechte hinsichtlich der Benützung des Luftraumes (Ein-, Aus- und Uberflugsgenehmigungen) vor. Ausschlaggebend, wie weit Genehmigungen erteilt werden, ist das Luftfahrt-Gesetz (LFG) vom 2. 12. 1957, BGBl. Nr. 253. Die Republik muß imstande sein, ihre eigenen Gesetze auch tatsächlich zu exekutieren.

Dazu zählen ganz besonders die Fragen in Zusammenhang mit ausländischen Staatsluftfahrzeugen, die mit Zivilregistrierungen versehene Militärluftfahrzeuge sein können. Solche Luftfahrzeuge müssen eindeutig identifiziert werden und sind gegebenenfalls auch zur Landung zu zwingen.

Außerdem behält sich Österreich (wie auch alle anderen Staaten) selbstverständlich das Recht vor, den Luftraum Österreichs zu sperren (§5 LFG), wenn mit einer solchen Maßnahme zum Beispiel eine politische oder militärische Eskalation eingedämmt werden kann. Darüber hinaus kann es auch nicht im Interesse Österreichs sein, zuzulassen, daß fremde Luftfahrzeuge ungestört über seinem Gebiet Personen absetzen oder Frachten illegal zu Boden bringen (§ 133 LFG). • Im Anlaßfall dienen Jagdflugzeuge dazu, innerhalb des eigenen Luftraumes operierend, die Grenzen Österreichs zu überwachen, wobei der Demonstration der Wahrung der Lufthoheit auch völkerrechtlich hohe Bedeutung zukommt. Der Abschuß fremder Militärluftfahrzeuge, die ihrerseits versuchen, mit Waffengewalt gegen österreichische Luftfahrzeuge im österreichischen Luftraum vorzugehen, ist nicht nur zulässig, sondern entsprichtuiuch dem (internationalen) Notwehrrecht gemäß UN-Charter und den Schlußakten von Helsinki. • Das Bundesheer hat die Pflicht, mit den Mitteln der Luftverteidigung (elektronische und optische Luftraumüberwachung, Jagdflugzeuge) die Souveränität und völkerrrechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen, wobei der scharfe Schuß erst die letzte Konsequenz (Notwehr oder Vorliegen einer Aggression gegen Österreich) gegenüber sich feindselig verhaltenden fremden Flugzeugen darstellt.

Das Sicherstellen der Souveränität ist im Rahmen der Luftraumüberwachung mittels Jagdflugzeugen durchführbar: Dabei kommt es darauf an, den Anfängen zu wehren. Es gilt, das Ubergreifen von Luftkriegshandlungen auf den österreichischen Luftraum zu verhindern.

Dies bedeutet im Klartext, einen Verteidigungsfall a priori zu verhindern, das heißt, dies gilt besonders im Krisen- und Neutralitätsfall, wo neben der Hinderungspflicht der Souveränitätswahrung größte Bedeutung zukommt, erstere gegenüber Dritten, letztere im ureigensten Interesse Österreichs. 0 Gegen einen anderen Staat gerichtete Handlungen im Luftraum sind ja stets ein integrierter Bestandteil politischer und militärischer Zielsetzungen, die einerseits gegen Österreich, aber vermutlich noch wahrscheinlicher gegen Dritte gesetzt werden. Außerdem: Es wäre ja möglich, daß ein Kriegführender (unter Umständen ein Nachbarstaat) Teile des österreichischen Luftraumes bewußt oder unbewußt mißachtet und daher dessen Gegner das Recht in Anspruch nehmen könnte, den österreichischen Luftraum in Abwehrhandlungen einzube-ziehen.

Solche Aktionen können auch — man betrachte die Praxis seit 1945 — ohne Vorliegen einer Kriegserklärung oder Kampfhandlungen am Boden stattfinden. Eine daher von Österreich geduldete beziehungsweise mangels Potentials nicht verhinderte Souveränitätsund Neutralitätsverletzung zur Luft könnte zu einer schwerwiegenden politischen und militärischen Eskalation führen, wobei dann eine Aggression nicht mehr auszuschließen wäre.

Diese Feststellungen hatte 1970, wenngleich aus einem anderen Blickwinkel argumentierend, die Bundesheer-Reformkommission getroffen und weiters festgestellt, daß militärische Handlungen gegen unser Land nur in der Luft geführt werden könnten, wenn wir keinerlei Gegenmaßnahmen setzen. Eine Ohnmacht im Luftraum wäre somit eine Einladung für weitere Absichten gegen Österreich, einschließlich de/ politischen beziehungsweise militärischen Erpressung oder Aggression.

• Die Folgen eines Fehlens von Luftkriegsmitteln im Verteidigungsfall brauchen hier nicht erläutert zu werden, sie sind evident und stellen die Verteidigungsfähigkeit Österreichs in Frage.

Der Autor arbeitet in der Luftabteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

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