7022589-1988_50_17.jpg
Digital In Arbeit

Rache aus Japan

Werbung
Werbung
Werbung

Fragt man junge Leute in den Vereinigten Staaten heute, so kann es leicht geschehen, daß man erfährt, Toyotas und Hondas seien amerikanische Automobile und Sony und Panasonic gehörten zu den größten amerikanischen Elektronikfirmen. In Kalifornien, an der Schwelle von Amerikas Tor zum Pazifik, hört man diese Uberzeugung besonders oft.

Japan hat es weit gebracht, seit „made in Japan“ ein Synonym für billige Waren zweifelhafter Qualität gewesen ist. In den fünfziger Jahren verkündete US-Außenminister John Foster Dulles: „Wenn Japan auf eigenen Füßen stehen will, muß es sich Exportmärkte im Südpazifik und Südostasien erschließen, denn japanische Produkte werden niemals gut genug sein, um sich auf amerikanischem Boden durchzusetzen.“

Dulles würde staunen, wenn er seine Heimat heute sähe. Das Land ist mit japanischen Konsumgütern überschwemmt. Japanische Investoren haben in den großen Städten große Mengen des besten Grundbesitzes und der teuersten amerikanischen Immobilien aufgekauft und in einer Reihe von amerikanischen Spitzenunternehmen enorme Aktienblöcke angehäuft. Dazu sind sie in den innersten Kern der amerikanischen Gesellschaft eingedrungen, mitten in die Massenkultur: nach Hollywood und in die Musikindustrie. Sony besitzt jetzt CBS Records, eine der größten Plattenfirmen der Welt, und hat die Absicht, ein amerikanisches Filmstudio zu erwerben. In der Zwischenzeit haben Sony und andere japanische Konzerne amerikanische Filme direkt von ihren Hauptquartieren in Tokio aus finanziert und in Japan produziert.

All dies könnte man lediglich als Ergebnis guten Geschäftssinns bezeichnen, aber es ist auch eine Art von Rache: hat einst Amerika die Welt mit Fast Food, Blue Jeans und Rock 'n' Roll überflutet, so sind die Amerikaner heute selbst die Opfer einer kulturellen Invasion.

Die Samurais haben ihre Schwerter gegen scharfe Stahlmesser eingetauscht und walten in den beliebtesten Lokalen in Los Angeles, den japanischen Sushi-Bars. Durch jedes dieser makellos saubergeschrubbten, kleinen Restaurants läuft eine lange Theke. Auf der einen Seite sitzt der Kunde, auf der anderen steht der Küchenchef, der rohen Thunfisch,

Lachs, Shrimps und andere Lek-kerbissen zeremoniös zu gaumengerechten Stücken schneidet, die er dem Gast nicht nur als kulinarische Freude, sondern als Kunstgenuß überreicht. Denn jeder dieser modernen Samurais ist in der Lage, aus einem Stückchen Makrele etwa ein Segelboot oder aus Tintenfisch eine untergehende Sonne zu schnitzen. Und während sie ihre Geschäfte besprechen, stärken amerikanische Damen und Herren sich hier mit Saki oder einer großen Flasche Sop-phoro Bier.

Sushi findet man in der ganzen Stadt an jeder Straßenecke, ja es ist sogar noch populärer geworden als der legendäre Stützpfeiler amerikanischer Zivilisation: der Hamburger. Daß es jetzt auch „take out“-Sushi gibt, das mit der McDonald's-Kette konkurriert, ist wohl selbstverständlich.

Im Los Angeles County Museum of Art, einem riesigen Gebäudekomplex, steht das neueste Zeichen der kulturellen Invasion aus dem Fernen Osten. Hier hat vor kurzem der Japanische Pavillon seine Pforten geöffnet. Erbaut wurde er nach den Plänen des amerikanischen Architekten Bruce Goff, einem der brillantesten Nachfolger von Frank Lloyd Wright, die Gestaltung des Gebäudes jedoch richtet sich nach japanischen Vorlagen. Unter anderem beherbergt der Pavillon eine Sammlung von japanischer Malerei der Edo-Periode (1615 bis 1668), die von führenden Experten als außerordentlich wertvoll bezeichnet wird. Sie gilt als die beste, die im Westen je zusammengetragen wurde.

Beim Publikum von Los Angeles ist der neue Pavillon ein durchschlagender Erfolg. Täglich strömen Scharen von Betrachtern herbei und stehen geduldig Schlange, um an den ausgestellten Werken vorbeizudefilieren. Man hört Kommentare, in denen sich Bewunderung, Faszination und leises Befremden mischen. Und manche erweisen sich sogar als Kenner, wie unlängst jener junge Amerikaner, der seiner bewundernd lauschenden japanischen Freundin ausführlich die Meisterwerke ihrer eigenen Heimat erklärte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung