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Riskantes Spiel

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Obwohl sich die beiden Kandidaten George Bush und Michael Dukakis bisher in wirtschafts-und finanzpolitischen Belangen nicht gerade exponiert haben, so sind doch die Auswirkungen der Präsidentschaftswahl und die darauffolgenden Mäßnahmen für Wall Street von größter Bedeutung; die Börse als sensibles Barometer wird auf jede Äußerung empfindlich reagieren. Bush versucht dabei derzeit, vom Windschatten der „Reagonomics“ zu profitieren, Dukakis heftet sich die Erfolge in „seinen“ Bundesstaaten an die Brust.

Wie konkret sind die wirt-schafts- und finanzpolitischen Programmpunkte der beiden Kandidaten? Wieweit wird sich ein direkter Einfluß auf Wall Street ergeben? Vorweg: Ein ausgereiftes, zukunftsorientiertes Wirtschaftskonzept kann keiner der beiden vorweisen. Obwohl sie sich der Bedeutung Wall Streets bewußt sind und die Finanzwelt keineswegs in ein „Mauerblümchendasein“ drängen wollen, wollte sich keiner mit medienwirksamen außergewöhnlichen Ideen eventuell die Finger verbrennen.

Die Finanzwelt hätte aber gern einige konkrete Antworten auf die brennendsten Fragen. Wie kann man das Zwillingsdefizit in den Griff bekommen. Wie wird sich die Handelspolitik verändern? Welche Richtung wird der Dollarkurs nehmen? Kommt eine Rezession? Kann sich ein Börsen-Crash wiederholen? Damit sind nur einige der wichtigen Problemkreise erwähnt.

Jeder weiß, daß es keine Ad-hoc-Patentrezepte gibt, aber die Wahl des jeweiligen Vizepräsidentschaftskandidaten mag eine kleine Hilfestellung geben: Michael Dukakis hat mit der Nominierung des texanischen Senators Lloyd Bentsen zu erkennen gegeben, daß er vor allem in Handelsfragen eine eher härtere Linie verfolgen möchte. In Zeiten einer Wirtschaftsabschwächung könnten durchaus Maßnahmen gesetzt werden, die unter den Sammelbegriff „Protektionismus“ fallen. George Bush hat sich hingegen für den 41jährigen Dan Quayle entschieden. Damit sollen vor allem Stimmen aus dem mittleren Westen gewonnen und eine etwas rechtskonservative Grundstimmung ausgesprüht werden.

Bei Bush liegt logischerweise die Vermutung nahe, daß er den durchaus erfolgreichen Kurs Reagans weiterverfolgen wird. Den frommen Wunsch nach einem ausgeglichenen Haushaltsbudget innerhalb von fünf Jahren kann man indes durchaus in die übliche Wahlpropaganda einordnen. Desgleichen kamen bei keinem der beiden Kandidaten Steuerbelastungen zur Sprache. Wie man allerdings ein Riesenbudget-defizit ohne höhere Einnahmen oder verringerte Ausgaben ausgleichen will, ist schwer vorstellbar. Dukakis meint allerdings, daß zirka 100 Milliarden Dollar in die Staatskassen fließen könnten, wenn nur die bestehenden Gesetze etwas restriktiver gehandhabt würden. EinenTeil dieses Betrages möchte er gerne in Sozialleistungen stecken. “TnwPT i Zumindest für die erste Jahreshälfte 1989 ist weiters mit keiner deutlichen Lockerung der geldpolitischen Zügel zu rechnen. Nur im Falle einer dramatischen Wirtschaftsverschlechterung sollten, heißt es, tiefgreifende Zinssatzreduzierungen erfolgen. Die im Durchschnitt etwas erhöhten Staatsausgaben im Wahljahr lassen einen positiven Effekt für die erste Hälfte des Nach Wahljahres erwarten.

Den Börsianern jedenfalls bleibt im Moment nur, abzuwarten, bis der Präsident tatsächlich Maßnahmen setzt. Lediglich ein Blick in die Statistik könnte vielleicht da und dort noch aufschlußreich sein. In den 39 Administrationen seit 1832 zeigt die Börse im Jahr nach der Wahl 22mal einen negativen Verlauf, 16mal endet sie im Plus, und einmal blieb sie unverändert. War ein Republikaner im Amt, so gab es im Folgejahr ein relativ ausgewogenes Verhältnis von zehn negativen und neun positiven Kursverläufen.

Auch im gegenwärtigen Szenario könnte die Börse noch ein bißchen Luft nach oben haben. Bei stärkeren Kursanstiegen sollte man sich jedoch nicht von einer Euphorie anstecken lassen. Erst das Zusammensetzen der zahlreichen Mosaik-steinchen aus den kommenden ökonomischen Daten wird das Bild für das nächste Jahr etwas aufhellen. Eine vorsichtige Haltung in dieser Ubergangsphase könnte sich durchaus lohnen.

Der Autor ist Fonds-Ma-

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