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Stabilität? - rien ne va plus

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Die Wirtschaftspolitik des flotten Inflations-Zweigespanns Bruno Kreisky/Hannes Androsch trägt reife Früchte: Seit 1970 führt der Inflationsweg längs des Grats von Gipfel zu Gipfel — 1970 4,4%, 1971 4,7%, 1972 etwa 6,1%, und für das kommende Jahr prognostizierte der eher zu Optimismus neigende Professor Nemschak vom Institut für Wirtschaftsforschung eine Inflationsrate von (vorläufig) 8%.

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Die Wirtschaftspolitik des flotten Inflations-Zweigespanns Bruno Kreisky/Hannes Androsch trägt reife Früchte: Seit 1970 führt der Inflationsweg längs des Grats von Gipfel zu Gipfel — 1970 4,4%, 1971 4,7%, 1972 etwa 6,1%, und für das kommende Jahr prognostizierte der eher zu Optimismus neigende Professor Nemschak vom Institut für Wirtschaftsforschung eine Inflationsrate von (vorläufig) 8%.

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Die Ursachen dieser unheilvollen Preisentwicklung sind hinlänglich bekannt. Sie sind, wie das zuletzt auch im OECD-Bericht festgehalten wurde, nur zu einem sehr geringen Teil auf internationale Faktoren zurückzuführen. Wörtlich heißt es in dem von OECD-Experten mit Staatssekretär Veselsky abgesprochenen Text: „Da die ausländische Nachfrage zurückgegangen ist und die Außenhandelspreise die Tendenz haben, bedeutend weniger als 1970 zu steigen, ist der inflationäre Druck seit 1971 hauptsächlich inländischen Faktoren zuzuschreiben.“ Damit wurde von kompetenter Seite und mit Zustimmung des Bundeskanzlers die Version von der „importierten Inflation“ weitgehend als Ausrede festgehalten.

Wie wäre das denn auch bei der seit 1970 in Österreich betriebenen Wirtschaftspolitik anders möglich? Seit damals liegen die Zuwachsraten der Budgetausgaben permanent über den Zuwachsraten des nominellen Bruttosozialprodukts (1973 sollen bei einem Rekorddefizit die Ausgaben gar um 13,5 Prozent steigen); seit 1971 fungiert die Bundesregierung mit ihren zahlreichen Tarif- und Preiserhöhungen (Strom, Benzin, Bundesbahn, Lebensmittel usw.) als bedeutendster Preistreiber in Österreich; seit 1971 ist sie nicht mehr in der Lage, das Geldvolumen in Österreich zu kontrollieren; seit 1971 laufen die Löhne einer realistischen und daher wünschenswerten Entwicklung einfach davon. Dabei war aller Übel Anfang die „Inflationsgesinnung“ dieser Bundesregierung: man gab die Parole von der „relativen“ Stabilität aus, versprach (bei 200.000 Gastarbeitern!) die Vollbeschäftigung zu erhalten, setzte auf das (auch) umweltzerstörende Wachstumsziel und verglich im übrigen die inflationäre Preisentwicklung in Österreich mit der in den Nachbarstaaten. Eine kurze Zeit fielen solche Vergleiche mit der Bundesrepublik Deutschland zugunsten Österreichs aus; heute nicht mehr.

Was aber macht die Regierung? Sie behauptet neuerdings, daß „Stabilität Vorrang hat“, und will in diesem Sinne Maßnahmen setzen, die von Beginn an wie „bla-bla“ klangen und in der Folgezeit auch wie „bla-bla“ wirken müssen. Denn Finanzminister Androsch will sich allein damit begnügen, die Zuwachsrate des Geldvolumens ein Wenig zu beschneiden (was ihn nichts kostet), im übrigen aber will er an seiner budgetpolitischen Linie festhalten, den Einführungstermin der Mehrwertsteuer beibehalten und nicht einen Prozentpunkt von dem Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent lassen. Der Benzin-, Brot- und Semmelpreiserhöhung wird er zustimmen und die Bezieher von Ausgleichszulagen, tatsächlich die Ärmsten der Armen, mit dem Almosen von 10 Schilling abspeisen. Die jährliche Rendite des zu novellierenden Prämienkontensparens will er von ursprünglich 10,8 Prozent auf 9,5 Prozent drücken und jungen Ehepaaren die Gründung eines Hausstandes durch eine beabsichtigte Beschränkung der Konsumentenkredite zusätzlich erschweren. Gerade am Beispiel der Konsumentenkredite läßt sich recht leicht belegen, wie widersprüchlich die Wirtschaftspolitik dieser Regierung in der Tat ist. Erst genehmigt die Regierung jedem Ehepaar eine Heiratsprämie In der Höhe von 15.000 Schilling, sodann goutiert die Regierung, daß die Kreditwirtschaft jungen Ehepaaren einen kaum besicherten Anschlußkredit zu geben bereit ist, zuletzt aber will man die Konsumentenkreditegewährung der Kreditwirtschaft radikal beschneiden.

Natürlich merkt auch die Bundesregierung, daß sie zunehmend auf Schwierigkeiten stößt. Dennoch will und wird sie an ihrem Inflationskurs festhalten, sich in Unternehmen stürzen, die der Stabilität nichts nützen, die Unsicherheit in diesem Land prolongieren. Neuerdings denkt man gerade daran, jenen Teil der von parteipolitischem Einfluß relativ unberührten Sparkassen durch Gesetzesakt auf Linie zu bringen: Das soll in der Weise geschehen, daß auch in Vereinssparkassen Funktionäre des Gemeinderats delegiert werden dürfen.

Wirtschaftliche Stabilität in Österreich? — rien ne va plus! Es ist nur folgerichtig, wenn die Bundesregierung an diesem Postulat festhält. „Erfolgreiche“ Inflationspolitik ist noch immer das beste Mittel, den Ruf der marktwirtschaftlichen Konzeption zu untergraben. Jede vernünftige Stabilitätspolitik würde doch nur darauf hinauslaufen, die Leistungskraft einer im Vollzug befindlichen etablierten Marktwirtschaft als ökonomische und soziale Ordnung zu beweisen. Das, ganz offensichtlich, ist. nicht die Zielsetzung dieser Regierung. Ihre wirtschaftspplitische Methode belegt das.

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