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Kirche in der Gesellschaft
SICHTBABE KIRCHE, ÖKUMENE UND PASTORAL - Einführung In die Reiigion.- soiiologle. Von Hana und Walter God dl ja. Oktav, 314 Seiten, Verlag Herder Wien- Frelburg-Basel 1867. 8 16 .—.
SICHTBABE KIRCHE, ÖKUMENE UND PASTORAL - Einführung In die Reiigion.- soiiologle. Von Hana und Walter God dl ja. Oktav, 314 Seiten, Verlag Herder Wien- Frelburg-Basel 1867. 8 16 .—.
Die Säkularisierung, ein allge- mein-menschliches Phänomen und nicht nur eine Augenscheinlichkeit dieser Zeit, hat in der Gegenwart Formen angenommen, welche vor allem die Kirchenführer und christlich gesinnten Sozialwissenschaftler bewegen, auch den sozialen Bestimmungsgründen der progressiven A-Religiosität mit den Instrumenten der Wissenschaft auf den Grund zu gehen. Daher die starken Antriebskräfte, welche nunmehr die religionssoziologischen Forschungen gerade aus dem christlichen Raum heraus bestimmen und die Religionssoziologie zur wesentlichsten Sonderform der modernen Soziologie gemacht haben. Dagegen war bis vor wenigen Jahrzehnten die soziale
Dimension des Lebens der Mehrheit der Kirchenführer fast völlig entgangen (S. 39), einer der Gründe dafür, daß die Kirche in vielen Regionen der Gesellschaft weitgehend funktionslos wurde und es heute noch ist.
Trotz aller Zumutungen ist und bleibt die Religionssoziologie aber eine profane Methode der wissenschaftlichen Untersuchung bestimmter sozial-wesentlicher Erscheinungen, auch wenn diese Gegenstand der Theologie und Philosophie sind. Ebenso wenig kann die Religionssoziologie noch Wissenschaft sein, wenn sie lediglich ein Instrument des Kirchenkampfes ist und Religion naturalistisch oder als Mittel der Ausbeutung betrachtet wird. Auch die gespielte Wertfreiheit erweist sich, wenn eine bestimmte Grenze überschritten ist und wertefreies Denken die Qualität einer Quasireligion erhält, als Gesinnungsdokumentation und ungeeignet, jene Objektivität der Forschung zu sichern, welche diese erst (zumindest tendenziell) zum Rang von Wissenschaft erhebt.
Daher gibt es keine christliche und keine antichristliche Religionssoziologie. Nicht weniger bedenklich ist der Versuch, die Religionssoziologie lediglich von ihrer Verwertbarkeit in der kirchlichen Praxis her zu sehen und sie daran zu hindern, ohne Be- dachtnahme auf das von der Praxis in einer gegebenen Situation Geforderte, allgemeine Einsichten zu gewinnen. Auch für die Kirchenführung unangenehme Einsichten. So sehr die sogenannte Auftragssoziologie die Religionssoziologie gefördert hat, darf diese nicht lediglich als Kirchensoziologie verstanden und dadurch unangemessen verengt werden.
Das vorliegende Werk zweier niederländischer Religionssoziologen von internationalem Rang (und katholischer Gesinnung) ist keineswegs eine in wissenschaftliche Formeln verpackte Apologetik, sondern eine Untersuchung, die zweigeteilt ist in einen wissenschaftlichen Teil und in eine Art pastoraler Praxeologie. Der Gegenstand der Untersuchungen sind vor allem die christlichen Kirchen und im besonderen die katholische Kirche.
Der Unterschied gegenüber Untersuchungen von Autoren, die gesinnungsmäßig nicht engagiert sind oder zumindest es mit Raffinement verstehen, eine Art Gesinnungslosigkeit vorzutäuschen, liegt darin, daß die beiden Autoren praktikable Schlüsse anbieten, wobei die Schlußfolgerungen nicht nur von der praktischen Erfahrung der Verfasser zeugen, sondern derart formuliert sind, daß sie in seelsorgliche Praxis übersetzt werden können, wenn die entsprechende Aufnahmsfähigkeit und Aufnahmswilligkeit gegeben ist.
Das Buch geht von der Annahme aus, daß das Kirchenvolk und seine institutioneile Entsprechung, die (katholische) Kirche, unvermeidbar auch den Charakter einer sozialen Erscheinung haben und in ihrem Lebensprozeß der Wirksamkeit des in der menschlichen Natur angelegten Sozialen ausgesetzt sind — wie profane Gebilde. Lediglid der Inhalt des Gebildes „Kirche” ist ein arteigener und kann nicht ausschließlich an den sonst für das Soziale geltenden Kriterien gemessen werden, obwohl manche kuriale Stellen bemüht sind, die juristische Rationalität der Kirche in einem Maß zu betonen, das m. E. an Häresie grenzt, weshalb einzelne Religionssoziologen nicht mit Unrecht die Kirche anderen Gebilden, in denen die juristische Konstitution übermächtig ist, gleichzusetzen.
Das Buch ist in seinem ersten Teil eine sehr wertvolle Einführung in die moderne Religionssoziologie, vor allem in die heute vorherrschenden Lehrmeinungen. Der Hinweis auf umfangreiches Zahlenmaterial sichert die Glaubwürdigkeit der Schlüsse. Für den Nichtsoziologen, ganz besonders für die Seelsorger und die Führer christlicher Ver bände, sind die Hinweise, welche die Autoren für eine Erneuerung der Kirche und des priesterlichen Standes geben, von einem besonderen Wert, vor allem, weil die Verfasser sich einer verständlichen Sprache bedienen.
Die Wahl des Titels (auch der niederländischen Ausgabe) ist dem Referenten nicht verständlich und kann für den Verkauf des Buches unter Umständen hinderlich sein.
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