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Allzusehr strapazierter Dialog?

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Die zunenmencte Bedeutung, welche die Religionssoziologie innerhalb der Soziologie gewinnt, is1 vor allem auf eine nunmehr offenkundige Selbstbeschränkung dei soziologischen Forschung zurückzuführen, die nicht mehr in soziolo-gistischer Interpretation die nurprofan begründete Konstitution dei Religion beweisen will, sondern, wie sie es (angeblich) stets vorhatte, lediglich Wissenschaft, also werte-und daher vorurteilsfrei sein will. Auf der anderen Seite nehmen auch religiös gesinnte Soziologen und soziologisch interessierte Theologen die Forschyngsmethoden der Soziologie auf, um mit ihr religiöse Prozesse und Gebilde nüchtern zu untersuchen und erst vom Forschungsergebnis weg wertende Schlüsse zu ziehen.

Die Tatsache, daß innerhalb der Soziologie neben der Agrarsoziologie lediglich die Religionssoziologie Sonderzeitschriften (etwa „Social Com-pass“) und ein eigenes Jahrbuch präsentiert, ist Beweis für die eminente Bedeutung des Faches. Außerdem stellt die Religionssoziologie ein Bindeglied zu einer Reihe angrenzender Fächer dar, sei es die Theologie oder die Lehre vom wirtschaftlich belangreichen Verhalten.

Der vorliegende zweite Band des „Internationalen Jahrbuches für Religionssoziologie“ geht auf theoretische Aspekte der Religionssoziologie ein, vor allem auf das Phänomen der Säkularisierung, das keinesweg auf das Religiöse beschränkt ist, sondern auch im Un-Glauben merkbar zu werden beginnt.

Die Einführung stammt von Pater Sorokin, der ohne Bedachtnahme auf die konventionellen soziologischen Instrumente und bestimmt durch die besonderen Verhältnisse in den USA die Beziehungen gegenwärtiger Religion und der moralischen Situation untersucht. Dabei weist der Autor in einer ergreifenden Weise auf die „apogalyptic demoralization“ ebenso hin wie auf das Wachsen einer nicht institutionalisierten Religion. Der Verfasser fordert dazu auf, das „God is Love“ und „Love is God“ nicht nur zu bekennen, sondern in der gegenwärtigen Situation auch zu praktizieren.

Von T. Rendtorff stammt eine Abhandlung, die sich mit der „Weiterentwicklung der Kirchensoziologie zur Religionssoziologie“ befaßt, welcher Prozeß Soziologen und Theologen neue Einsichten vermittelt.

P. Berger und Th. Luckmann befassen sich mit den Beziehungen von Säkularisierung und Pluralismus, wobei sie in einer sehr anfechtbaren Weise, die keineswegs zum Gegenstand distanziert ist, feststellen, daß es so etwas wie einen „Markt“ für Religion gibt, ebenso aber eine Marktregelung (als Wettbewerbsbeschränkung) in der kartellarischen Form der Ökumene.

Eine ganz ausgezeichnete Einführung in die „strukturell-funktionale Theorie“ bietet O. Schreuder. Die Abhandlung allein würde den Erwerb des Bandes rechtfertigen. Ebenso klar wie Schreuders Einführung in eine (und heute herrschende) Richtung der Soziologie ist das, was der Ostberliner M. Robbe über „Marxismus und Religionsforschung“ schreibt. Gerade wegen des loges von gläubigen Christen^ und liberaleren Marxisten in Fragen von Religion und Marxismus ist eine Abhandlung wie jene von Robbe geeignet, die Positionen der anderen Seite verständlich zu machen.

W. Cohn („Ist Religion universal“) bestreitet an Hand von Untersuchungen die Annahme der universellen Existenz der Religion. Leider polemisiert der Verfasser und leugnet u. a. die „Persistenz von Religion“ in einer Welt, gerade deswegen, weil es in dieser Welt Buchenwald und Hiroschiima gegeben hat, als ob beide (die Institution und das Erpi^nisl eine liturgisch-religiöse Handlung gewesen wären. Wer mit Vorurteilen an einen Gegenstand wie die Soziologie herangeht, kann nicht mehr gut mit dem Allerweltsargument t „Wertefreiheit“ operieren.

Von L. Löwenthal stammt eine den Band abschließende Arbeit über Franz von Baader (Teil II folgt), die in hervorragender Weise den mit Unrecht zu den Romantikern gerechneten Sozialphilosophen interpretiert. Der Verfasser bezeichnet Baader als Religionssoziologen (in seiner Zeit) und führt den Beweis für seine These in einer interessanten Weise, die in der Tendenz viel mit der einleitenden Arbeit von Sorokin gemeinsam hat.

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