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Religion und Gesellschaft

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RELIGIONSSOZIOLOGIE (Band 19 der ontologischen Texte). Herausgeber Friedrich Für- itenberg. Verlag Hermann Luchterhand, Neuwied am Rhein. 464 Seiten. DM 28.— (Studienausgabe DM 14.—).

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RELIGIONSSOZIOLOGIE (Band 19 der ontologischen Texte). Herausgeber Friedrich Für- itenberg. Verlag Hermann Luchterhand, Neuwied am Rhein. 464 Seiten. DM 28.— (Studienausgabe DM 14.—).

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Die Beziehungen zwischen religiösem Verhalten und seiner Institutionalisierung in Form von Kirchen auf der einen und den sozialen Prozessen und Gebilden auf der anderen Seite ist stets ein wesentliches Anliegen der Soziologie gewesen. Ob es sich um engagierte Untersuchungen gehandelt hat, deren uneingestandener Zweck die „Entlarvung“ des Religiösen als Sublimation von Profanen war, oder um echtes wissenschaftliches Bemühen, etwa in der Wirklichkeit des Sozialen die religiösen Bestimmungselemente aüfzuspüren, stets hatten die religionssoziologischen Forschungen einen direkten oder indirekten Gegenwartsbezug und lieferten darüber hinaus den Beweis für die in der modernen Soziologie angelegten Chancen, die soziologischen Forschungsergebnisse auch in die Praxis der Menschenführung umzusetzen.

Die religionssoziologische Literatur ist heute unübersehbar geworden. Auch Spezialperiodica widmen sich bereits Fragen der Religionssoziologie, etwa: neben „Archives de

Sociologie des Religions“ (Paris) seit 1953 die Zweimonatsschrift „Social Compass" (begründet von „Katholiek Sociaal Kerkelijk In- stituut“), welche in englischer und französischer Sprache erscheint.

Spezialisten und Nichtspezialisten sind daher, angesichts der Fülle des Materials, dankbar, wenn ihnen entsprechende Literatur in Auswahl angeboten wird.

Friedrich Fürstenberg, bisher Professor in Clausthal-Zellerfeld (BRD) und nun Ordinarius in Linz, einer der bedeutendsten Vertreter der ökonomischen Soziologie im deutschen Sprachraum, aber ebenso seit Jahren mit Fragen der Religionssoziologie (die nur dem Laien erstaunlich scheinende enge Verbindungen zur ökonomischen Soziologie aufweist) befaßt, legt nun beim Verlag Luchterhand, der sich außerordentliche Verdienste um die Publikation soziologischer Literatur erworben hat, eine Auswahl von Texten zur Religionssoziologie vor.

Nach einem vor allem für die Systematik des Gegenstandes sehr wesentlichen Vorwort des Herausgebers publiziert Fürstenberg Texte zur soziologischen Interpretation der Konstitution von Religionen (Dürkheim, Malinowski, Yinger) über „Soziologische Aspekte der Religiosität und Kirchlichkeit“ (M. Weber, v. Oettingen, Le Bras), „Religiöse Institutionen und Gruppen“ (unter anderen Fürstenberg und Troeltsch) und zum allgemeinen Thema von „Religion und Gesellschaft“ (Troeltsch, Drews, M. Weber und Desroche). Die Texte werden durch eine ausgezeichnete bibliographische Einführung ergänzt.

Der Aufbruch im Katholizismus reflektiert unverkennbar nicht allein den Willen, Beschlüsse des Konzils zu exekutieren, sondern zu einem sehr wesentlichen Teil die Anpassung an soziale Vorgänge, an profane Phänomene, die von bisher den Apparat beherrschenden Traditionalisten in der Kirche, sehr zu deren Schaden, einfach nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Die Kirche steht vor einer kaum noch übersehbaren inneren (und nicht nach außen geneigten) Bewegung, die vielen chaotisch zu sein scheint, wenn man nicht gewillt ist, unter anderem auch die Antriebskräfte des Sozialen in den Vorgängen zu beachten, also von Wirklichkeiten, die durch das Vaticanum II nicht geschaffen, sondern zur Aktivierung aufgerufen worden sind. Die seriöse (also wertefreie) Religionssoziologie, die weder Apologetik noch hinterwäldlerisch-antiklerikal, sondern wirklichkeitskonform ist, vermag keineswegs Instrumente für eine Organisation des Organisierbaren im Katholizismus zu liefern, wohl aber Einsichten und jenes Verständnis für die sozialen Realitäten im Bereich des Religiösen und des Lebens der Institutionen, die notwendig sind, um die für den Aufwuchs der Kirche in der Welt notwendigen Entscheidungen realkonform zu treffen.

Die vorgelegten Texte sind in keinem Fall apologetisch bestimmt (keineswegs die von katholischen Soziologen stammenden), zu einem Teil jedoch von jener Wertefreiheit, die krampfhaft wirkt und selbst wieder Wertung demonstriert. Alle Texte aber bieten einen ausgezeichneten Einblick in das Denken von verschieden interpretierenden und nun einmal verschieden gesinnten Soziologen zum Problem des Religiösen, dessen Position in der Welt (bei gleichzeitiger Entkirchlichung) eher stärker geworden ist.

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