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Eine unpolitische Partei

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Monatelang rätselten Portugals politisch interessierte Kreise über eine Organisation herum, die im Februar von 147 Personen in Lissabon gegründet worden war, sich SEDES, .Assoziation für wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ nennt und bereits in fünf Städten des portugiesischen Mutterlandes über Filialen verfügt. Die einen meinten, es handle sich um eine gemäßigte Opposition, die anderen sahen in ihr einfach eine Förderungsgesellschaft für die Liberalisierungsziele der Regierung. Bisher hat sich nur eines geklärt: nämlich, daß es sich keinesfalls um eine wie immer geartete Opposition handelt.

Dies geht nicht nur daraus hervor, daß zu den Gründungsmitgliedern neben vier oppositionellen Kandidaten für die vergangenen Parlamentswahlen auch zwei amtierende Minister, ein Staatssekretär und ein Unterstaatssekretär sowie der Sohn des Premiers Caetano gehören, sondern daß die SEDES durch eine Veröffentlichung im Staatsanzeiger legalen Charakter erhalten hat. Es liegt auf der Hand, daß Portugals neues Regime, das auch nach dem Tode Salazars gegen die Unbeweg-lichkeit radikaler Salazaristen zu kämpfen hat, sich nicht noch einen neuen Gegner großziehen wird, selbst wenn dieser Gegner liberale Ziele verfolgt.

Was ist nun SEDES? Laut Veröffentlichung im Staatsanzeiger verfolgt sie keine politischen Ziele. Der Gedanke liegt nahe, daß es sich also genau um das Gegenteü handeln könnte, nämlich um eine Organisation rein politischer Art. In ihrem Programm taucht die Vokabel „Pol-litik“ und „politisch“ auffallend häufig auf. Es ist darin die Rede von „der dringenden Transformation der portugiesischen Gesellschaft“, „den neuen Strukturen der politischen und verwaltungstechnischen Teilnahme“, von größerer Freiheit und Verantwortlichkeit, von politischen Institutionen, von Dezentralisierung der Verwaltung, der Regional- und Lokalverwaltung. Es ist also offensichtlich, daß die SEDES

an der Entwicklung und Liberalisierung des Mutterlandes — von den afrikanischen Provinzen ist in ihrem Programm nicht die Rede — aktiv mitwirken will, aber auch, daß sie sich politisch zu betätigen gedenkt. Derzeit gibt es nur eine offizielle Partei, die Staatspartei, obzwar die Oppositiongruppen sich während und vor der Wahlzeit in Parteienform konstituieren dürfen. Nachher müssen sie wieder untertauchen. Anderseits bilden die Mitglieder der SEDES eine Art intellektueller Elite. Es sind durchwegs Akademiker verschiedener politischer Färbung, angefangen von aktiven Katholiken, über Opus-Dei-Mitglieder, bis zu ehemaligen Linken. Diese beiden Charakteristiken, intellektuelle Qualität und breite politische Schattierung, sind bekanntlich für das Opus Dei typisch. Die von vielen Portugiesen in den letzten Tagen geäußerte Meinung, daß es sich bei der SEDES um eine portugiesische Entwicklungsorganisation dieses spanischen Laienordens handeln könnte, ist somit keineswegs abwegig. Die in der nächsten Zeit zu erwartende Betätigung der SEDES wird erweisen, ob sie nur ein Förderungsverein für Portugals Entwicklung und Liberalisierung, oder aber eine politische Gruppierung ist.

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