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Volkspartei

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Zwei konkrete Ergebnisse schälen sich aus der krisenhaften Selbstprüfung heraus, der sich die obersten politischen Instanzen der Volkspartei unterzogen haben: die grundsätzliche Trennung von Ministerschaft und Parteiamt und gleichzeitig die Berufung Julius Raabs in die oberste Führerstelle der Partei, ihm zur Seite die Betrauung des Oberösterreichers Dr. Alfred Maleta mit dem Amt des Generalsekretärs. Die Bedeutung des vollzogenen Revirements, in das keine Regierungsstellen einbezogen sind, mag vielleicht, da es sich, oberflächlich gesehen, nur auf zwei Personen bezieht, unterschätzt werden. In Wirklichkeit ist eine Umstellung von grundsätzlicher Bedeutung in unserem Staatsorganismus, soweit die Volkspartei darüber bestimmen konnte, vollzogen worden: die einem ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Prinzip entsprechende Scheidung von Staatsamt und Parteiamt. Im echten Sinne verstanden, ist das Regierungsmitglied ein Organ der ganzen Staatsgemeinschaft und nicht bloß Exponent einer einzelnen politischen Gruppe. In der Regierung sollen an keiner Stelle Personalunionen von Parteimacht und Staatsautorität, keine Überschneidungen der getrennten Verantwortlichkeiten statthaben. Der Akt der Volkspartei, die Entlastung ihrer Regierungsmitglieder von einer widerspruchsvollen doppelseitigen Verpflichtung, weist in die Weite einer Reform, die, konsequent verfolgt, einen Abbau des alles parzellierenden, alles aufspaltenden, jeden Flecken Boden im Staate in einen Kampfplatz verwandelnden Parteienstaates und die Hinkehr zum echten Volksstaat bedeuten müßte. Eine Partei, die diesem Ziele mit allen Kräften zustrebt, wäre zu beglückwünschen.

Man interpretiert, wie man annehmen darf, den Reformwillen im Räume der größeren Staatspartei richtig, wenn man als seine Signatur die Berufung Julius Raabs in ihr oberstes Führeramt betrachtet, zu einem Offizium mit den höchsten Verpflichtungen — um so schwereren, als sie auferlegen, Fehler gutzumachen und die programmatische Klarheit mit der Erfüllung des Titelanspruchs der Partei herzustellen. Als Führer des Wirtschaftsbundes hat Ing. Raab ein von ökonomischer Krisenzeit und verschärften Interessengegensätzen umwittertes Amt zu führen gehabt. Gefährlicher Präzedenzfall? Er ist ein Schüler Jodok Finks, des weisen Staatsmannes von Adelsbuch. Er ist gewiß nicht umsonst in diese ausgezeichnete Lehre gegangen, in der das Gesetz von der Unteilbarkeit des Volksganzen, das Gesetz echter christlichsozialer Staatswissenschaft, von der Versöhnung der Interessenvielfalt im Geiste ausgleichender Gerechtigkeit galt. So hat er denn auch als Weg und Ziel der von ihm übernommenen Führerschaft gleich am ersten Tage seines Amtes die Sätze vorangestellt:

„Das Schicksal Österreichs muß von uns, von unserer österreichischen Volkspartei geformt werden. Es muß daher allen das große Verantwortungsbewußtsein für diese Entscheidung im Interesse des Volksganzen in Fleisch und Blut übergehen, und jeder, wo er auch steht, ob auf dem Lande oder in der Stadt, muß seine Pflicht erfüllen. Dieses große und feste Fundament für unsere politischen Entscheidungen ist im Herzen aller unserer parteitreuen Anhänger fest verankert und begründet.“

Der Mann, der diese Worte sprach, pflegt zu meinen, was er sagt. Das will heißen: Ein Volksmann, nicht ein Wirtschaftsführer trat seine Mission an der Spitze der Volkspartei an. Die übernommene Verpflichtung ist groß. Er wird zu einigen und zu reinigen haben. Daß die Aufgabe erfüllt werde, ist mehr als eine Parteisache. Jeder, der es mit Österreich ernst meint, sollte ihm von seinem Platze aus helfen.

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