Die Waffen nieder!?

19451960198020002020

Per 1. Jänner 2000 wurden in Österreich 108.496 Besitzer von Waffenpässen und 232.576 Inhaber von Waffenbesitzkarten registriert. Wozu brauchen so viele Menschen eine Waffe? Verleihen sie ein Gefühl von Faszination, Sicherheit, Macht und Stärke? Befürworter und Gegner von privatem Waffenbesitz trennt jedenfalls ein unüberbrückbarer Gegensatz.

19451960198020002020

Per 1. Jänner 2000 wurden in Österreich 108.496 Besitzer von Waffenpässen und 232.576 Inhaber von Waffenbesitzkarten registriert. Wozu brauchen so viele Menschen eine Waffe? Verleihen sie ein Gefühl von Faszination, Sicherheit, Macht und Stärke? Befürworter und Gegner von privatem Waffenbesitz trennt jedenfalls ein unüberbrückbarer Gegensatz.

Werbung
Werbung
Werbung

Vor zwei Jahren war die Anzahl der in Österreich ausgestellten Waffenpässe mit 114.600 und die Zahl der Waffenbesitzkarten mit 244.000 noch um vieles höher als heute (in diesen Zahlen sind die nicht genehmigungspflichtigen Kugelwaffen der Jäger nicht erfaßt. Sie sind lediglich meldepflichtig). Ein Abwärtstrend ist sowohl für Wien als auch für die Bundesländer eindeutig feststellbar. Als Grund dafür gelten die strengeren Waffenbestimmungen, die im Juli 1997 und im Jänner 1999 in Kraft traten und die die "Verläßlichkeit" des Waffenbesitzers (festgestellt durch psychologische Tests) sowie den Nachweis des richtigen Umgangs mit der Waffe verlangen (Waffenführerschein).

Anlaß für die strengeren Waffenbestimmungen war nicht zuletzt die Erschießung einer Lehrerin in Zöbern im Jahre 1996 durch einen Jugendlichen mit der Waffe seines Vaters. Dazugekommen sind zahllose häusliche Tragödien die durch den Einsatz von Schußwaffen zu tödlichem Ausgang geführt haben.

WelcheVorschriften für den Waffengebrauch gelten derzeit in Österreich und sind sie zum Schutz der Bevölkerung ausreichend? Robert Gartner von der waffenrechtlichen Abteilung des Bundesministeriums für Inneres meint dazu: "Einen Rechtsanspruch zum Erwerb einer Waffenbesitzkarte hat ein Staatsbürger dann, wenn er über 21 Jahre alt ist, den Nachweis der Verläßlichkeit, Unbescholtenheit sowie eine sogenannte Rechtfertigung dafür nachweisen kann." Die Kosten dafür belaufen sich auf 180 Schilling Antragsgebühr, und 400 Schilling Verwaltungsabgabe.

Der Antragsteller für einen Waffenpaß muß neben den gleichen Voraussetzungen anstelle der sogenannten "Rechtfertigung" einen plausiblen Grund für seinen persönlichen "Bedarf" an einer Waffe angeben. Er oder sie muß erklären, warum gerade er/sie derart gefährdet ist, daß eine Schußwaffe benötigt wird. Die Kosten dafür belaufen sich auf 180 Schiling Antragsgebühr und 800 Schilling Verwaltungsabgabe. Die Genehmigung unterliegt wesentlich strengeren Kriterien als bei der Waffenbesitzkarte. Ausgestellt wird der Waffenpaß von der Bezirksverwaltungsbehörde oder in Orten mit Bundespolizei von der Bundespolizeidirektion.

Ein zentraler Punkt für die waffenrechtliche Genehmigung und die Feststellung der sogenannten "Verläßlichkeit" ist ein Psychotest, den der Antragsteller entweder bei einem niedergelassenen Psychologen oder beim Kuratorium für Verkehrssicherheit (jetzt: Kuratorium für Schutz und Sicherheit) abzulegen hat.

"Auffällige Personen" Psychotherapeut Wolfgang Werdenich, Leiter der Sektion Forensische Psychologie im Berufsverband der österreichischen Psychologen (BÖP), war maßgeblich an der Erstellung des derzeit angewendeten Verfahrens zur Sicherstellung von "auffälligen Personen" im Hinblick auf Waffenbesitz beteiligt. "Die zur Zeit praktizierte Methode finde ich keinesfalls zufriedenstellend. Es gibt beim derzeitigen Verfahren den multifaktorellen Persönlichkeitstest und den Stressverarbeitungs-Fragebogen. Im Falle eines auffälligen Ergebnisses wird eine weiterführende psychologische Begutachtung des Antragstellers notwendig. Heute ist der Antragsteller aber jederzeit in der Lage, zu einem oder mehreren anderen Psychologen zu gehen, solange, bis er einen für seinen Antrag unauffälligen Befund in Händen hat. Unsere Berufskollegen wissen ja nicht, daß sie es in einem solchen Fall mit einem regelrechten Testtouristen zu tun haben. Wir verhandeln deshalb schon seit langem mit dem Bundesministerium für Inneres, um eine Änderung der bestehenden Situation zu erreichen." Vorstellbar sei die Installierung einer Zentralkartei, in der abgefragt werden kann, ob für den Betreffenden schon anderswo ein Test durchgeführt wurde. "Leider ist das Innenministerium aber derzeit mit sehr vielen anderen Problemen beschäftigt, so daß wir nur hoffen können, daß dieses Anliegen nicht endlos liegen bleibt."

Vom Waffenbesitz ausgeschlossen sind nach § 8 des Waffengesetzes "nicht verläßliche" Menschen wie Alkohol- und Drogenabhängige, Menschen mit Psychiatrieaufenthalten (sie scheinen in der sogenannten Geisteskranken-Kartei auf), sowie straffällig gewordene Menschen mit Verurteilungen über zwei Jahre.

Wie sieht die Gruppe der Antragsteller für waffenrechtliche Urkunden aus?

Sie ist keinesfalls homogen. Sie setzt sich aus 80 Prozent Männern zusammen, bei den Frauen ist der Anteil jener, die eine Waffe von irgendwoher bekommen oder geerbt haben, relativ hoch. Frauen bilden auch den Personenkreis mit relativ hohem Lebensalter.

Welches sind die Hauptmotive für privaten Waffenbesitz? Dazu Experte Werdenich: "Bei vielen steht das Interesse an der Waffe als Gegenstand, als Instrument, mit dem man beispielsweise Sport betreiben kann, sehr im Vordergrund. Dann gibt es die große Anzahl jener Menschen, die eine Waffe von irgendwoher bekommen haben und behalten wollen, wobei es ja auch die Möglichkeit gibt, die Waffe unschädlich zu machen. Sie hat aber dann für den Besitzer nicht mehr den gleichen symbolischen Wert. Die dritte Gruppe bilden jene Menschen, denen eine Waffe das Gefühl der persönlichen Sicherheit gibt. Das betrifft vor allem Menschen die in einsamen Gegenden wohnen oder die eine Waffe für ihren persönlichen Schutz im Beruf brauchen (Angestellte einer Geldtransportfirma etc.).

Anderen Angst machen Für den Psychoanalytiker stellt die Waffe das Penis-Symbol dar. Ein anderer Aspekt der Faszination ist sicher die damit verbundene Möglichkeit, Gewalt auszuüben. Daß diese Gewalt auch über größere Entfernungen hin möglich ist, verstärkt den Reiz. Man hat das Gefühl, in die Ferne hineinzuwirken, expansiv zu sein, man könne Bedrohungen von sich abwenden und rechtzeitig auf Gefahren reagieren. Ein großes Attribut der Waffe ist auch das Gefühl von Macht, das sie zu geben imstande ist. Die eigene Bedrohung wird geringer, eigener Waffenbesitz macht anderen Menschen Angst. Vergleichbar ist Waffenbesitz auch mit der Anschaffung eines scharfen Hundes, der seinem Besitzer Sicherheit gibt."

Trotzdem geht die Zahl jener, die den psychologischen Test im Hinblick auf die Genehmigung eines Antrags machen, konstant zurück. Waren es im Jahr 1998 noch 1.300 Personen die den Psychotest machten, so ging die Zahl im vergangenen Jahr 1999 auf rund 1.000 zurück. Parallel dazu steigt die Anzahl der Waffenverbote seitens der Behörden, mit dem Ziel, Gewalt- und Tötungsdelikte zu erschweren. Wurde im Jahr 1997 noch 278 Männern in Wien das Tragen einer Waffe untersagt, so erhöhte sich die Zahl im vergangenen Jahr bereits auf 1.319. Das ist das Fünffache allein in Wien!

Zum Zeitpunkt der behördlichen Maßnahme besaßen allerdings nur wenige offiziell eine Schußwaffe.

In den Bundesländern ist der gleiche Trend zu beobachten. Hilfreich bei der Eindämmung von Gewaltverbrechen sind sicher auch die neuen Maßnahmen, denen zufolge Waffenbesitzer alle fünf Jahre eine Schulung mit der Waffe nachweisen müssen. Erst dann wird der sogenannte "Waffenführerschein" ausgehändigt. Darüber hinaus kontrolliert die Exekutive die sichere Verwahrung der Waffe in einem versperrten Kasten.

Fachleute sehen jedoch nach wie vor zwei große Gefahrenbereiche: Das sind zum ersten die illegalen Waffenbesitzer (mit illegalen Waffen passiert naturgemäß weit mehr als mit legalen) sowie der große Bereich jener Waffenbesitzer, die ihre Waffe bereits vor dem Jahre 1997 besessen haben und die deshalb keiner Kontrolle unterliegen. Dazu Psychotherapeut Wolfgang Werdenich: "Hier scheint dem Gesetzgeber ein gewisser Lapsus passiert zu sein ..."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung