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Dienen Waffen der Sicherheit?

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An Schußwaffen ist in Osterreich kein Mangel. Wie verhindert man ihre kriminelle Verwendung?

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An Schußwaffen ist in Osterreich kein Mangel. Wie verhindert man ihre kriminelle Verwendung?

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Drei erschossene Tote in einer Wohnung in Wien-Fünfhaus, ein mit einem Bauchdurchschuß niedergestreckter Polizist in Wien-Hernals, fast alltäglich erreichen uns wie am vergangenen Montag solche Meldungen. Die Diskussion über die Verbreitung von Schußwaffen in Osterreich bekommt ständig neue Nahrung.

Als vor einigen Wochen eine Hauptschullehrerin in Zobern (Niederösterreich) von einem 15jährigen erschossen wurde, gingen die Wogen hoch, brachen heiße Debatten über Ursachen und Anlässe solcher Taten aus. Dauerbrennerthemen erlebten eine neue Blüte: Ob die heutige Jugend nicht aggressiver sei als frühere Generationen, ob nicht die Massenmedien, vor allem das Fernsehen, die Bereitschaft zu Gewalt fördern, ob nicht Eltern und Schule bei der Erziehung zunehmend versagen?

Deutlicher als bisher wurde aber auch die Frage gestellt, ob nicht der Zugang zu Schußwaffen in unserem Land wesentlich erschwert werden müßte. Daß sogar ein Volksschüler erwischt wurde, wie er seinen Mitschülern stolz eine Waffe seines Vaters vorführte, muß mehr als zu denken geben. Vermutlich hat die Tochter des Mordopfers von Zobern recht, wenn sie sagt, ihre Mutter würde noch leben, wären im Haus des Todesschützen nicht Waffen und Munition offen herumgelegen.

Natürlich trägt immer der Täter die Hauptverantwortung, und dieser Umstand sollte nicht von irgendwelchen echten oder selbsternannten Experten zerredet werden, aber es gibt, in jeweils unterschiedlichem Maß, Mitverantwortliche: Elternhaus und Schule, Freunde und Bekannte, Medien und Gesetzgebung. Sie alle können, wenn sie die falsche Orientierung geben, dazu beitragen, daß ein Mensch auf Irrwege gerät.

Aggression wird es wohl immer geben. Die Frage ist, ob man mit ihr umzugehen gelernt oder sich jene Einstellung zu eigen gemacht hat, die auch viele Filme suggerieren: Mit der Waffe in der Hand bin ich wer, damit setze ich meinen Willen durch. Und je gefährlicher die Waffe ist, umso mehr haben sich die anderen nach mir zu richten.

Ein Bündel von Maßnah men wäre nötig, um das Problem wenigstens zu verkleinern: besserer Umgang mit Aggression, weniger beschönigende Mystik um Gewalt und Waffen in den Medien, erschwerter Zugang zu Schußwaffen (weniger Produktion und Handel, schärferes Vorgehen gegen illegalen Besitz, scharfe Kontrolle darüber, wer legal Waffen besitzen darf und wie er sie zu lagern hat).

Daß beinahe jeder Gegenstand vom Küchenmesser bis zur Bierflasche als Waffe gebraucht und mißbraucht werden kann, ist klar, aber daß mit Schußwaffen viel schneller viel größeres Leid angerichtet werden kann, belegen viele erschütternde Beispiele aus aller Welt, insbesondere der Amok-lauf in einer schottischen Schulklasse oder in Österreich jener in einem Linzer Gerichtsgebäude. Daß jemand schon lange in seiner Umgebung als „Waffennarr” bekannt war, erfährt man meist erst, wenn etwas passiert ist.

Die Statistiker beruhigen: Die Gesamtsumme aller gerichtlich strafbarer Handlungen unter Verwendung von Schußwaffen ist zuletzt gesunken (425 im Jahr 1995 gegenüber 510 im „Bekordjahr” 1993), außerdem, so der Waffenhändler Christian Springer, werde nur ein Teil der jährlich rund 120 Morde mit legalen Schußwaffen verübt. Mit 1.

Jänner 1996 hatten immerhin 218.559 Österreicher eine Waffenbesitzkarte (am 1. Dezember 1982 erst 105.384) und besaßen somit legal zumindest eine Faustfeuerwaffe. Es ist aber ein offenes Geheimnis, daß man relativ leicht illegal an Waffen herankommen kann und unzählige Waffen illegal im Umlauf sind. Allein an Pumpguns wurden über 50.000 .verkauft, ehe zur Bück-gabe (800 kamen zurück) beziehungsweise zur Legalisierung (rund 10.000 wurden legalisiert) verpflichtet wurde: Somit sind noch mindestens 40.000 illegal im Umlauf.

Mehr Waffen, mehr Sicherheit? Erfahrungen zeigen, daß diese Hoffnung trügt, daß Waffen im Haus, so sie überhaupt verwendet werden, eher auf Angehörige oder den Besitzer als gegen Einbrecher gerichtet werden. Mag sein, daß es einzelne Bäuber abschreckt, wenn sie mit bewaffnetem Wi -derstand rechnen müssen, aber wer nicht gerade eine prachtvolle Villa sein eigen nennt, sollte sich ohne Waffe genauso sicher fühlen.

Darf man viel Vertrauen in den verantwortungsvollen Umgang des Österreichers mit Waffen haben? Daß hierzulande nie ernsthaft erwogen wurde, Soldaten (wie in der Schweiz) die Waffe mit nach Hause zu geben, spricht Bände. Ein neues Waffengesetz soll nun den Erwerb von Schußwaffen erschweren, Waffe und Munition sollen zwingend getrennt und versperrt aufbewahrt werden, Innenminister Schlögl hat sogar eine Art „Führerschein” für den Waffenerwerb ins Auge gefaßt.

Ob all das mehr als gut gemeint sein kann, ist zweifelhaft. Experten halten es für unmöglich, die Einhaltung des Gesetzes wirksam zu kontrollieren, mit dem In-Kraft-Tre-ten des Schengener Abkommens ist auch nicht mehr kontrollierbar, wer wie bewaffnet aus bestimmten EU-Ländern bei uns einreist. Wer sich aber durch die Waffe wirklich schützen will, müßte im Ernstfall erst Waffe und Munition aus getrennten, versperrten Behältern herbeiholen.

Die wünschenswerte „Entwaffnung” aller wird vorläufig Illusion bleiben. Zumindest aber sollte man verhindern, daß weiter in österreichischen Haushalten Pumpguns, Sport -und Jagdwaffen herumliegen, griffbereit, wenn einer in der Familie durchdreht.

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