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Keine Panikstimmung!

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Das Interesse an der Entwicklung der österreichischen Wirtschalt ist in den letzten Wochen und Monaten gestiegen. Das ist zu begrüßen, nur ist der Anlaß hierzu weniger erfreulich: Es ist die Konjunkturabschwä-chung, die auch nach Österreich übergriff und deren Auswirkungen mit der stärkeren Akzentuierung struktureller Schwächen in unserer Volkswirtschaft zusammenfallen. Das Beispiel anderer, größerer europäischer Industriestaaten zeigt uns, daß auch im Zeitalter der Vollbeschäftigung die Sorge um den Arbeitsplatz akut werden kann.

In einer solchen Situation spielen natürlich unwägbare psychologische Faktoren eine große Rolle. Jeder Praktiker der Wirtschaft weiß, wie sehr das wirtschaftliche Geschehen auch von Stimmungsmomeniten beeinflußt wird. Daher ist es doppelt notwendig, die Situation mit ruhiger Sachlichkeit und Zuversicht, damit ohne Resignation zu beurteilen. Zu Panik- oder Krisenstimmung besteht nicht der mindeste Anlaß, aber die Lage und die Zukunftsentwicklung, vor allem die Forderungen, die sich daraus ergeben, müssen realistisch beurteilt werden.

Die österreichische Wirtschaft leidet nach wie vor unter dem Kostenauftrieb. Dieser ist auch die Ursache der nun seit Jahren anhaltenden Investitionsschwäche, und es muß zur Sorge Anlaß geben, daß nach Umfragen des Institutes für Wirtschaftsforschung die Industrieinvestitionen im heurigen Jahr abermals, und zwar um sieben Prozent gegenüber 1966, sinken dürften. Die Existenz der Wachstumsgesetze allein bietet noch keine Gewähr für die notwendige Verstärkung der Investitionstätigkeit, denn diese setzt im wesentlichen ausreichende Erträge voraus. Kostenauftrieb und Investitionsschwäche führten in weiterer Folge zu einer Minderung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, die sich in der Entwicklung der Handels- und leider auch der Zahlungsbilanz niederschlägt. Ausländische Produkte strömen daher in großen Mengen nach Österreich, während anderseits unser Export nicht nur unter der Diskriminierung im Gemeinsamen Markt, sondern auch unter dem Kostenauftrieb leidet. Niemand darf es daher verwundern, daß die österreichische Wirtschaft schließlich auch an Wachstumsschwung verloren hat. Gerade eine hohe Wachstumsrate unserer Volkswirtschaft wäre aber nötig, um die vielen Strukturprobleme leichter zu bewältigen und in einem großen europäischen Markt wettbewerbsfähig zu sein.

Wenn heute so viel von wachstumspoliti-schen Notwendigkeiten und Maßnahmen gesprochen wird, so sollte immer bedacht werden, daß die Kostenstabilität die erste und wichtigste Voraussetzung eines echten, also nicht nur eines scheinbaren Wirtschaftswachstums ist. Wir können aus den Erfahrungen anderer Länder, vor allem Großbritanniens und der Bundesrepublik Deutschland, lernen. Gerade diese beiden Staaten waren in der letzten Zeit zu einschneidenden wirtschafts- und währungspolitischen Schritten gezwungen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder zu gewinnen. Österreich kann daher angesichts solcher Bemühungen um eine Stabilisierung des Kostenniveaus bei unseren größten und wichtigsten Konkurrenten nicht untätig bleiben.

Die Erhaltung einer marktwirtschaftlichen Ordnung erfordert viel Vernunft und Einsicht bei allen Partnern des Wirtschaftsgeschehens. Die österreichische Industrie hat daher mit gutem Grund immer wieder betont, daß vor der Einleitung wachstumsfördernder Maßnahmen deutliche Anzeichen für eine Beruhigung des Kostenauftriebs gegeben sein müssen. Sie weiß sich hier in Übereinstimmung mit der Nationaibank, die in ihren jüngsten Monatsmitteilungen mehrmals festgestellt hat, daß erst nach einer solchen Beruhigung mit einem Aufdrehen des Geldhahnes gerechnet werden könne. Kostenstabilität ist notwendig, um die Investitionstätigkeit wieder anzuregen, sie ist auch eine Vorbedingung für den Erfolg von „Exportoffensiven“, die ja nicht allein durch den Elan der Exporteure, bessere Kredit-fazilitäten und die sehr schlagkräftige Außenhandelsorganisation der Bundeswirtschaftskammer zum Erfolg geführt werden können. Die Entwicklung unserer Zahlungsbilanz sollte uns als Warnsignal dienen.

Anzeichen dafür, daß die Ursachen der Schwierigkeiten, in die unsere Wirtschaft geraten ist, erkannt werden, gibt es genügend. Die Lage muß gemeinsam von Regierung, Sozialpartnern und Notenbank gemeistert werden. Ohne Wunschdenken — denn in der Wirtschaft gibt es keine „Wunder“.

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