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GRUNDSÄTZE DER WIRTSCHAFTSPOLITIK.

Von Walter E u c k e n. Herausgegeben von Edith Eucken-Erdsick und K. P. H e n s e 1. Band 81 von „rowohlts deutsche enzyklopädie“, Hamburg. 210 Seiten. Preis 1.90 DM.

Das vorliegende Werk stammt aus dem Nachlaß des großen deutschen Nationalökonomen und gewinnt wegen seiner Aussagen und der Eindringlichkeit seiner sich zum Bekenntnis steigernden Darstellung den Charakter eines wissenschaftlichen Testaments.

Walter Eucken, von der historischen Schule, von der Datensammlung kommend, hatte nie den Blick für die Wirklichkeit des ökonomischen Prozesses verloren. Wenn er sich trotzdem schon in jungen Jahren von der historischen Schule, von der Untersuchung des ökonomischen Prozesses als der ersten Wirklichkeit, ab- und der Frage der Wirtschafts Ordnung zuwendet, so aus der Einsicht, daß jedes und auch das ökonomische Geschehen in einer Ordnung eingefaßt und von dieser bestimmt ist. Daher ist ihm die Ordnung, wenn auch nicht die Erstwirklichkeit, so doch das Erstbestimmende der Wirtschaft.

Nicht um die nüchterne, leidenschaftslose Darstellung der Ordnung an sich geht es aber Eucken, sondern um die Setzung der richtigen Ordnung, die dem Leben der Wirtschaft und ihrem Sinngehalt angepaßt ist.

Jede Wirtschaft ist ein soziales Ereignis und kann nur von der menschlichen Wohlfahrt her gesehen werden. Keine Ordnung aber vermag mehr dem Menschen zu dienen, meint Eucken, als eine freiheitliche. Nicht eine verbal-freiheitliche, sondern eine, die es den Fakten nach ist und gegen jede Art von „Vergewaltigung des Menschen“ steht. Es geht also nicht um eine Freiheit um ihrer selbst willen, sondern um eine sinnerfüllte, humane Freiheit.

Die „Grundsätze“ zeigen nun in einer „ersten Orientierung“ die Probleme der Ordnung, die Frage von Vermassung und Ideologieeinflüssen.

Dann wendet sich der Autor in einem kritischen Rückblick den bisherigen Ordnungsversuchen, etwa dem „Laissez-Faire" und der Zentralverwaltungswirtschaft, zu, die er eingehend untersucht und als für die Gewinnung maximaler Wohlfahrt ungeeignet qualifiziert. '

Worum es geht, ist Freiheit bei Ordnung. Nicht diese ohne Freiheit und nicht Freiheit ohne Ordnung, sondern der Mittelweg. Unter Bedacht- nahme auf die Interdependenz aller wirtschaftlichen Ere gnlsse und Lebensordnungen verficht Eucken das

Konzept einer den Wirklichkeiten angepaßten Wettbewerbsordnung, die eine der ersten wirtschaftspolitischen Aufgaben des Staates ist, der nicht wirtschaften, sondern Ordnung, nicht Sicherheit zuerst, sondern Freiheit vorweg geben soll.

Das Buch gewährt jedem, der in der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen den zwei großen Ordnungskonzepten engagiert ist, einen Einblick in ein imponierendes Konzept eines echten „Freiheitlichen“, dem Freiheit nicht eine Chance zur Erhöhung eines Gewinnes, sondern Chance zur Konstitution einer Wohlfahrtsgesellschaft aus der Spontaneität menschlicher Entscheidung ist.

DIE WIRTSCHAFT VON HEUTE. Von Robert E n d r e s. Verlag des Oesterreichischen Gewerkschaftsbundes. 176 Seiten und 24 Farbtafeln. Preis 52 S.

Dem Verfasser, einem bekannten Wiener Wirtschaftshistoriker und Vertreter der materialistischen Geschichtsauffassung, ist jedes geschichtliche Ereignis nicht nur das, was es in seinen Parolen sein will, „Selbstbestimmung", „Befreiung“ und ähnliches, sondern vor allem ein Reflex ökonomischer Tatsachen. Demgemäß ist auch das Konzept der vorliegenden Einführung in die Wirtschaft der Gegenwart, die der

Verfasser in einer ungemein fesselnden und volkstümlichen Weise verfaßt hat.

Am Beginn steht eine Darstellung der „Urproduktion", der ersten der naturalwirtschaftlichen Epoche zuzurechnenden Periode der wirtschaftlichen Entwicklung. In zwei Kapiteln werden sodann die handwerklich-industrielle Fertigung in ihren vielfältigen Bezügen sowie Verkehr, Handel und Geldwesen eingehend besprochen. In einem Anhang widmet sich der Autor der verdienstvollen Aufgabe, die österreichische Wirtschaft zu schildern. Umfangreiches, mehrfarbiges bildstatistisches und Ziffernmaterial ergänzt die Darstellung in einer willkommenen Weise.

Mit Recht, und hier können wir dem Autor nur zustimmen, beklagt Prof. Endres, die Tatsache, daß zwischen der geistig-moralischen Haltung der Menschen und den wirtschaftlich-technischen Tatsachen ein Mißverhältnis besteht, eine „Verzögerung“ in der Anpassung. Man kann nicht, in kollektivistischen Ordnungsformen lebend, einer individualistischen Moral anhängen. Anderseits muß man sich fragen, ob die Gesellschaft tatsächlich alles ist und der Mensch sich ihr, die doch auch von Menschen mit Interessen geführt wird, anpassen muß. Eine Gesellschaft, wie immer sie organisiert ist, muß um des Menschen willen da sein, wenn sie auch die menschliche Freiheit in Ordnungen zu binden hat. Eine Anpassung des Menschen an die Kollektiva bedeutet Manipulierung des menschlichen Verhaltens.

Jedenfalls: ein sachkundiges Buch, das viel Material, pädagogisch wohlgeordnet, bietet und sich weitgehend von jeder Interpretation im Sinne des philosophischen Konzepts des Autors fernhält.

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