Direkte Demokratie als einziger Ausweg

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Der Titel des Buchs, das hier besprochen werden soll, ist natürlich falsch. Andreas Unterberger hängt mit allen Fasern seines Intellekts an der Politik. Wenn es sie nicht gäbe, wäre er um den großen Gegenstand seines Interesses und um seinen Lebenszweck als Journalist gebracht. Außerdem weiß jemand, der seit Jahrzehnten Politik beobachtet, über sie nachdenkt und schreibt, dass es ohne Politik nicht geht, dass geradezu -wie es in den Siebzigerjahren hieß -alles Politik ist.

Gemeint muss also etwas anderes sein: Es geht um die Politik, oder die Zerrform von Politik, die wir jeden Tag erleben. Unterberger teilt das Missvergnügen, den Ärger, die Unzufriedenheit, ja, den Zorn und die Verzweiflung vieler, beileibe aber nicht aller Mitbürger über den gegenwärtigen Zustand der Politik in Österreich und Europa. Sein Ärger ist ein qualifizierter, denn er ist ja kein Modernisierungsverlierer, der den Populisten von rechts (die leicht erkennbar sind) und denen von links (die die Vermutung des Fortschritts für sich in Anspruch nehmen) hereinfiele. Ganz im Gegenteil: Als Betreiber eines vielgelesenen Blogs, den er nach seiner Karriere als mehrfacher Chefredakteur begonnen hat, weiß er sich die Moderne bestens zu Diensten zu machen. Mit einem Wort: Man muss ernst nehmen, was er schreibt.

Unterbergers Pamphlet ist als erstes Bändchen einer vom Grazer Verlag Leykam verlegten Serie "Streitschriften" erschienen. Als Herausgeber fungiert der steirische ÖVP-Politiker und -Berater Herwig Hösele. Er kündigt an, dass mehrmals jährlich führende österreichische Journalisten "pointiert zu brisanten Themen" Stellung beziehen werden, um "einen notwendigen Diskurs zu befeuern". Man muss nicht unbedingt gespannt, darf aber zumindest neugierig sein.

Feurig ist Unterbergers Beitrag zum Diskurs jedenfalls: "Die westliche Politik und damit die Repräsentative Demokratie stecken in einer fundamentalen Krise. Eine Krise, die ihr Ende bedeuten kann." So lauten die ersten beiden Sätze. "Was nach 1989 der strahlende Sieger der Weltgeschichte zu sein schien, ist heute in vielen Dimensionen kaputt." Das ist eine ziemlich ernüchternde Diagnose, die nur eine düstere Perspektive eröffnen kann.

Verlust des Wertes der Freiheit

Unterberger zählt die "Fortschritte der Menschheit durch die Repräsentative Demokratie" auf: Die Menschen waren im Prinzip gleichberechtigt; Politiker konnten gewählt, aber auch wieder abgewählt werden; die Justiz war nicht mehr in den Händen der Machthabenden; die Machthaber unterstanden den Gesetzen. Der liberale Kapitalismus und die Repräsentative Demokratie waren "grandios erfolgreich" resümiert der Autor geradezu enthusiastisch.

Wo ist der Bruch, was zwingt dennoch zur düsteren Prognose?"Der Rückfall Europas", antwortet Unterberger: "In Europa gerät der Wert der Freiheit heute zunehmend in Vergessenheit." Er zählt die einzelnen Elemente des Niedergangs Europas auf: die hohe Abgabenquote - die Politiker nehmen sich einen noch nie dagewesen hohen Anteil an den Leistungen der Bürger; die Verschuldung der öffentlichen Hände; das viel zu niedrige Pensionsantrittsalter; die gigantischen Sozialleistungen -Europa gebe bei nur acht Prozent der Bevölkerung die Hälfte aller Sozialleistungen auf der Welt aus; unter dem Druck von Medien und NGOs herrsche hier eine zunehmende Ablehnung von Zukunftstechnologien; die ungesteuerte Immigration; die Islamisierung; "besonders schlimm ist der Zustand des Euro"; der militärische Zustand Europas sei beklagenswert.

Wehrpflichtabstimmung als Positivbeispiel

Unterberger offeriert mit der Verve der Ausschließlichkeit die Direkte Demokratie nach dem Muster der Schweiz. Er preist sie als die "einzig denkbare Lösung" und den Ausweg aus der Krise an. Sein wichtigstes Argument: die Entmachtung der Politiker, die er ironisch "Entlastung" nennt. Das Wissen von Millionen Bürgern sei größer als das der Eliten. Als positives Beispiel, dass die Direkte Demokratie auch in Österreich anwendbar sei und "Sinn und Nutzen" stiften könne, gilt dem Autor die Abstimmung über die Wehrpflicht.

Schafft die Politik ab! Von Andreas Unterberger, Leykam Streitschriften 2014.60 Seiten, kartoniert, € 7,50

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