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MAX HOHENBERG / ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN

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Auf der Berghohe von Maria-Taferl, dem weitbekannten Wallfahrtsort hoch über der Donau, erinnert ein Ehrenmal daran, daß in diesem Raum der zweite Weltkrieg zu Ende ging. Vier Kilometer donauabwärts steht in der kleinen Ortschaft Artstetten ein Kriegerdenkmal, schlicht in seiner Art, das die Toten dieses Ortes im ersten Weltkrieg nennt. An der Spitze dieser Toten stehen die Namen: Franz Ferdinand und die Herzogin von Hohenberg. Wenige ScJin'rte aufwärts von diesem Mal befindet sich die Gruft, die 1910 bereits der Thronfolger für sich und die Seinen anlegen ließ. Als wir im sonnklaren letzten Spätherbst die Gruft besuchten, wies uns die Pförtnerin auf den Kenotaph hin, der auf den noch lebenden älteren Sohn wartete.

Nun ist es soweit. Am 8. Jänner 1962 ist Dr. Max Hohenberg im sechzigsten Lebensjahr in Wien einem Herzleiden erlegen. Mit ihm ist ein Österreicher von uns gegangen, der mitten in unserem Volk den langen schweren Weg ging, von der Abendröte des alten Reiches, durch den Untergang hindurch, durch die Wirren der Ersten Republik, durch die Leiden des Landes und Volkes im zweiten Weltkrieg; wahrhaftig ein Österreicher zwischen gestern und morgen! Ein Sproß des Erzhauses, ein christlicher Edelmann, ein Staatsbürger, der sich voll und ganz einwurzelte in dem Schicksal, das Österreich zuteil wurde. Max Herzog Hohenberg war mit zwölf Jahren der erste Waise des ersten Weltkrieges. Der Knabe Max schreibt dem Mörder seiner Eltern, Princip, daß er ihm verzeihe. Man hat so oft in falscher und fragwürdiger Art von der versöhnenden Art des Österreichers gesprochen und geschrieben, daß man zurückscheut, hier große Worte zu nennen. Max Hohenberg hat aber durch sein ganzes Leben und sein Werk bewiesen, daß diese erste Tat seines Lebens nicht eine chevale-reske große Geste, sondern ein Werk der Selbstüberwindung war: des „Sprunges über den eigenen Schatten“. Während wir diese Zeilen schreiben, erinnern wir uns des zustimmenden Briefes, den derselbe

Mann vierzig Jahre später an die „furche“ schrieb, in dem er sich zum Sprung über den Schatten, zum verantwortungsbewußten Weg in eine neue Zeit und eine neue Umwelt bekannte.

Der österreichische Edelmann Max Hohenberg bekannte sich zu dem neuen Österreich. Das ist leichter gesagt als getan. Die beiden Hohenberg, Max, der ältere Bruder, und Emst, der jüngere Bruder, haben die schwierigen und so belasteten Jahre der Ersten Republik mitgetragen in und mit unserem Volke. Die Schergen Hitlers und ihre Auftraggeber handelten von ihrem Standpunkt aus mit sicherem Instinkt, als sie „die beiden Hohenberg“ ins KZ brachten: hier war älteste und beste Substanz und fruchtbaies Erbe, hier waren Männer, Menschen, die unbeugsame Charaktere waren. KZ-Kameraden der beiden Hohenberg erinnern dankbar der aufrechten Würde, des Mannesmutes, des Gottvertrauens der Hohenberg.

Zurück aus der Gewalt des Dritten Reiches, dem Meute unreife Alte und ungereifte Halbwüchsige Krokodilstränen weihen, hat sich Max Hohenberg nicht nach dem Westen abgesetzt, wie so manche andere, sondern kehrte nach Artstetten, in die russische Besatzungszone, zurück. Seine in jeder Weise aufrechte Gestalt erweckte bei den russischen Offizieren, wie bei der einheimischen Bevölkerung schlicht dies: Vertrauen. Als Bürgermeister hat der Sohn des Thronfolgers, Vranz Ferdinand, im republikanischen Österreich mitgeholfen, den

Rechtsstaat Österreich zu bauen. Er steht in dieser Hinsicht mitten unter den vielen „kleinen“ Bvirger-meistern und politischen Funktionären des damals ostzonalen Österreich, denen es mit zu danken ist, daß hier Österreich nicht verraten, nicht aufgegeben wurde.

Eben dieser „kleine“ Bürgermeister und hochgewachsene Edelmann nahm gleichzeitig eine Aufgabe auf sich, die er selbst als wichtig, als staatswichtig erkannte: die Einbergung der Reste des altösterreichischen Adels in eine langsam neu wachsende Gesellschaft. Seine führende Stellung unter den katholischen Edelleuten Österreichs wurde von vielen als eine Gewähr dafür angesehen, daß hier kein neues Getto, keine alte Reaktion, keine innere Emigration, keine Irredenta entstünde. Max Hohenberg, Sohn des Thronfolgers Franz Ferdinand, der die Völker des alten Reiches versöhnen wollte, hat Menschen seines Standes und seiner Art mit dem jungen Österreich versöhnt. Er konnte dies tun, weil er frei von Minderwertigkeitsgefühl und Selbsthaß, zutiefst mit sich selbst versöhnt war. Heute, wo die Wellen einer neuen Reaktion, getragen von Kleinbürgern und Wohlstandsbourgeoisie, unseren Staat bedrohen und unsere Gesellschaft gefährden, grüßen in Dankbarkeit und Ehrfurcht, übers Grab hinaus. Österreicher, Demokraten, Republikaner diesen Mann, der zu Volk und Land hielt — über den Glanz und die Glorie der Vergangenheit hinaus. Ein Mann, ein Vorbild,

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