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Neue Ordnung - von vorgestern

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Ordnung muß sein; das wissen wir. Eine neue Ordnung ist dann gut, wenn sie besser als die heute herrschende ist. Was aber die „Neue Ordnung“ anzubieten hat, ist weder von heute noch von gestern; es ist eindeutig von vorgestern. Daß das in dieser in Graz erscheinenden Zeitschrift angebotene Gemisch von Banalitäten und Halbwahrhedten sich „neu“ etikettiert, ist ein besonders absurder Treppenwitz. Schön würden wir aussehen, wenn das Vorgestrige uns als neue Ordnung bevorstünde...

Die „Neue Ordnung“ ist vor allem und primär immer gegen irgend etwas. Etwa gegen „gewisse Kreise des Wiener Ordinariates“ (9/10, 1967), gegen die Katholische Akademische Verbindung „Norica“, die es gewagt hat, ihr neues Haus unter anderem mit einem literarischen Abend zu eröffnen, bei dem — wie schrecklich — auch Chansons von Brecht, Morgenstern und Tucholsky zu hören waren („Seipel und Raab drehen sich im Grabe um, doch die .Furche' gratuliert ihren neuen Nachbarn zu dieser .gelungenen Eröffnung' “ — 23/25, 1966).

Die Schuldigen an dieser Entwicklung (ein „Krebsgeschwür“, dessen man sdch „entledigen“ müsse — 13, 1965) sind — wer kann es auch sein — Papst Johannes XXIII. und Kardinal König. In dem Beitrag „Ein Laie sieht das Konzil“ von James Schwarzenbach (18/19 und 20, 1965) wird derartig gegen Johannes XXIII. und das Zweite Vati-kanum polemisiert, daß man in den dadurch provozierten Leserbriefen Ergüsse wie „Johannes XXIII. hat eine Presse, als wenn er ein großer Freimaurer gewesen wäre!“ (23/24, 1965) lesen konnte.

Mit den Freimaurern hat es die „Neue Ordnung“ besonders. Die kindisch-verlogene Meldung, Kardinal König sei „Freimaurer hohen Grades“ (17/18, 1966), brachte die Grazer Zeitschrift noch bevor eine Salzburger Tageszeitung darauf einging und wegen dieser lächerlichen Verleumdung auch gerichtlich verurteilt wurde. In der Nummer 21/22,1966, widmete die „Neue Ordnung“ dem Wiener Erzbischof eine ganze Seite, in der die Vorwürfe an Kardinal König zusammengefaßt wurden: „Parteinahme für die Linke“,„Ostkontakte“ und — ein Vortrag vor der Industriellenvereinigung „mit ausgesprochenem Marx-Wortschatz wie jkapitallstische Wirtschaft', ,Ausbeutung', .unsoziale Handlungsweise den kleinen Arbeitern gegenüber'“. Der Ausdruck „unsoziale Handlungsweise“ ist also ein marxistischer. In Nr. 9/10, 1967, heißt es gar: „Niemand hat das Recht des Kardinals bestritten, sich als Widerstandskämpfer und Philosemit zu bekennen. Niemand... würde aber eine Betätigung des Kardinals in der geschilderten Richtung gutheißen ... Unser Volk hat die seinerzeitige Rundfunk- und Fernssehansprache des Kardinals nicht gutgeheißen, aus welcher eine Art Kollektivschuld unseres Volkes an den Vorgängen in den Konzentrationslagern geschlossen werden mußte.“

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